Sinnliches Versprechen auf Sizilien
Marina einen Moment leicht schwankte und fast gestolpert wäre.
„Alles in Ordnung?“ Besorgt drehte Pietro sich zu ihr um, weil ihr Schwächeanfall ihm nicht entgangen war.
„Alles bestens.“
Sein Lächeln beunruhigte sie noch mehr. Es war zu heiter, zu unecht. Sie hatte das Gefühl, sich ihm erklären zu müssen.
„Nach dem hellen Sonnenlicht kommt es einem hier drinnen so dunkel vor.“
Sein ironischer Blick aus dem Fenster, hinter dem die Sonne sich durch den wolkenverhangenen Himmel kämpfte, bewies Marina, dass sie Pietro nicht überzeugt hatte. Die Tür zum Schlafzimmer stand halb offen, und ihr Blick fiel auf das breite französische Bett, das eigentlich viel zu groß für das kleine Haus war. Marina wollte nicht an dieses Bett denken und schon gar nicht an die Bilder, die vor ihrem geistigen Auge auftauchten.
„Warum hast du mich hierher gebracht“, fragte sie und hörte Pietro ungeduldig einatmen.
„Das weißt du doch. Wegen der Paparazzi.“
„Das meinte ich nicht.“
„Nein?“
Jetzt schenkte er ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit, und sie war sich nicht sicher, ob ihr das gefiel. Sein forschender Blick machte sie nervös. Das Wohnzimmer war klein und eng, und mit seiner Größe wirkte Pietro hier noch bedrohlicher auf sie. Mit seinen breiten Schultern verdeckte er fast das Fenster, und der Raum wirkte bedrückend dunkel.
„Nein. Ich meinte, warum hast du mich damals nach der Hochzeit hierher gebracht? Wieso ausgerechnet in dieses Häuschen, obwohl das riesige Schloss nur wenige Kilometer entfernt lag und sich für die Flitterwochen doch viel besser geeignet hätte?“
Ja, warum hatte er Marina hergebracht? fragte Pietro sich jetzt auch. Warum? Warum? Warum? Verrückte Fragen beschäftigten ihn, seit Marina die Kanzlei seines Anwalts betreten und sein Leben wieder auf den Kopf gestellt hatte.
Warum hatte er sie überhaupt geheiratet? Und warum wollte er sich ausgerechnet jetzt scheiden lassen? Warum hatte er die Flitterwochen mit seiner Braut in Casalina verbringen wollen, statt mit ihr direkt ins luxuriöse Castello zu fahren?
„Wenn du es unbedingt wissen willst … Ich dachte, du solltest das wahre Sizilien kennenlernen, einen Ort, an dem das Leben noch ursprünglich und einfach ist, wo die Zitronen in den Hainen reifen und man oft keinem Menschen begegnet, höchstens der Schäferfamilie, die weiter oben im Tal wohnt und ihre Herde in die Berge hinauftreibt, um erst abends bei Sonnenuntergang zurückzukehren.“
Maledizione , das war nur die halbe Antwort, wie Pietro sich widerstrebend eingestehen musste. Selbst damals, während der ersten Tage ihrer Ehe, hatte er Zweifel gehegt. Das Leben und eine schlechte Erfahrung zu viel hatten ihn gelehrt, argwöhnisch zu sein. Oft genug hatte er erlebt, dass Frauen sich wegen seines Geldes, seiner Stellung für ihn interessierten, nicht weil sie tiefer für ihn empfanden. Deshalb hatte er Marina damals hergebracht – weil er sehen wollte, wie sie auf das wahre, einfache Leben auf Sizilien reagierte, nicht auf den Reichtum seiner Familie.
Noch ehe sie ins Schloss gezogen waren, hatten ihn Zweifel überkommen. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass sie überstürzt geheiratet hatten, doch sein Verlangen, seine Leidenschaft für Marina waren so übermächtig gewesen, dass er nicht mehr klar denken konnte. Also hatte er sie hierher gebracht, als eine Art Test, um herauszufinden, was sich wirklich hinter ihrer aufregenden Fassade verbarg. Wenn Marina auch nur kurz gezögert oder enttäuscht gewirkt hätte, wäre ihm klar gewesen, was er von ihr zu halten hatte.
„Ich hatte gedacht, es würde dir gefallen, die Flitterwochen hier zu verbringen.“
Hätte sie sich ernüchtert gezeigt, wäre er vorsichtiger gewesen und hätte sie schärfer beobachtet. Doch Marina war so begeistert vom Haus und dessen Umgebung gewesen, dass seine Bedenken sich verflüchtigt hatten.
„Ach, ich fand es hier einfach wunderbar. Trotzdem habe ich nie ganz verstanden, warum du mich nach der Trauung ausgerechnet hierher gebracht hast.“
„Ich wollte auf Nummer sicher gehen und nichts bereuen müssen.“
Warum sollte er ihr nicht die Wahrheit sagen? Schließlich brauchte er ihr jetzt nichts mehr vorzumachen oder zu verheimlichen.
„Ich war vorher öfter enttäuscht worden. Wie heißt es doch so schön: Ein gebranntes Kind …?“
„Scheut das Feuer“, ergänzte Marina das alte Sprichwort geistesabwesend.
„Außerdem wollte ich dir nicht zumuten, die
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