Sintflut (German Edition)
wir fahren. Das hängt davon ab, was der Arzt sagt.«
»Du bleibst also auch noch? Das freut mich aber. Ich könnte dir mein Atelier zeigen. Es würde mich interessieren, wie dir meine Arbeiten gefallen.«
Das fehlt mir gerade noch. Angenommen, sie gefallen mir nicht. Dann habe ich ein Problem, nicht er. Um Qualität geht es in der modernen Kunst nie, nur noch um die Qualifikation des Betrachters. Finde ich Flavio’s Sachen gut, verstehe ich was von Kunst. Finde ich sie schlecht, bin ich ein Banause. Lobe ich ein Werk aus grünen Eimern, aus denen Müll hervorquillt, beweise ich, dass ich die Provokationen der Kunst aushalte. Der Künstler hingegen muss nichts beweisen. Auf dieses Drehbuch habe ich schon lange keine Lust mehr. Als Flavio endlich weg ist, lese ich die Nachricht von Birgul.
Frau Paulus! Ich weiß zwar nicht, womit Sie das verdient haben, nachdem ich nun weiß, dass Sie und der garstige Akan mich hereingelegt haben, aber ich schreibe Ihnen trotzdem. Es besteht immerhin die geringe Chance, dass Ihr Vorgehen einem höheren Zweck dient.
Aus diesem Grund will ich Ihnen eine Information nicht vorenthalten, die selbst einen Tag wie diesen noch veredeln kann. Mein Freund Bob, von dem ich Ihnen erzählt habe, hat gestern einen Fund gemacht. Im Schwarzen Meer, in 100 Metern Tiefe. Es ist ein kleiner Strand. Dort liegen Keramikscherben und Teile von Werkzeugen. Ist das nicht aufregend?
Gleich wird das Essen serviert. Nach dem Mord an der Blondine und all der Aufregung bin ich nochmals nach Tirpesti gefahren, zu der guten Wirtin, die mich für den Reinfall hier mehr als entschädigt hat. Im Keller ist genug Wein für 100 Jahre und sie kocht wunderbar. Ich werde ihr einen Heiratsantrag machen. Schließlich bin ich ein reicher Mann. Und die meiste Zeit unterwegs. Sie hätte also nicht viel unter mir zu leiden. Nur kochen soll die Frau. Kochen und mir zulächeln, wenn das Essen auf dem Tisch steht. Was meinen Sie zu dieser Idee?
Warum schreiben Sie mir nicht auch einmal? Ich lade Sie herzlich dazu ein. Ihr Freund Birgul
Die Nachricht von Jutta muss warten, denn schon wieder naht Besuch. Diesmal ist es Leo. Ich biete ihm eine Tasse Kaffee an, doch er bleibt in der Tür stehen und macht ein ernstes Gesicht.
»Ist etwas passiert?«, frage ich und hoffe nein.
»Fleischmann wurde nicht weit von hier gesehen. Da du allein zu Hause bist, musst du wachsam sein. Ich bin heute viel unterwegs, deshalb richte Paula etwas aus, wenn sie zurück ist: Der Gemeinderat hat beschlossen, Paula und dir ganz zu vertrauen, auch wenn ihr Ausländerinnen seid. Wir werden euch in ein noch viel größeres Geheimnis einweihen, das aus verschiedenen Gründen für uns unhaltbar geworden ist.«
»Das Altweibergewäsch?«
Er grinst und verabschiedet sich ohne eine Antwort. »Schließ das Tor von innen und geh nicht mehr raus.«
Martin Fleischmann. Auf freiem Fuß und in der Nähe. Früher hätte ich selbst nach ihm gesucht, heute verspüre ich so etwas wie eine vage Angst. Einmal Hausfrau, immer Hausfrau? Das will ich besser mal nicht hoffen.
Endlich komme ich dazu, Juttas Mail aufzurufen, die sicher mit Max zu tun hat, aber das Mailprogramm stürzt ab. Die Nachricht verschwindet im Nirwana und was ich auch mache, ich kann das Programm nicht mehr starten. Nun bin ich bis auf das Handy von der Außenwelt abgeschnitten. Soll ich Jutta anrufen? Nein. Irgendwie fühle ich mich dem, was sie mir vielleicht zu sagen hat, im Moment nicht gewachsen.
Als es draußen dunkel ist, schlägt jemand an das Holztor. Mir stockt der Atem, doch dann fällt mir ein, dass Fleischmann bestimmt nicht so einen Krach machen würde. Ich gehe raus und flüstere: »Wer ist da?«
»Nun mach schon auf«, flüstert Paula ungeduldig zurück.
Sie humpelt an mir vorbei, während Akan das Auto in den Hof fährt. »Ihr lasst mich hier den ganzen Tag schmoren und dann bist du genervt, wenn ich mich einschließe.« Es überrascht mich selbst, wie scharf ich sie anfahre. Vielleicht gekränkte Polizistenehre. Ich will nicht, dass irgendjemand von mir denkt, ich würde die Lage falsch einschätzen. Oder je wieder so versagen wie damals, als ich meinen Job verlor. Meinen Job und vorübergehend meinen Verstand. Denn ich war es nicht, die einen der größten Heroindealer aller Zeiten zur Strecke brachte. Ich war es, die ihn laufen ließ. Aus Dummheit, aber das glaubt mir ja doch keiner. Und er war es, der mich am Boden zerstörte. Bis heute weiß ich
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