Sintflut
Felde versammelten sich die Banner, eins neben dem anderen in voller Ordnung mit den Obersten und Fahnenträgern in der Mitte. Und an den Regimentern vorüber ritt der Heerführer, unter einer Roßschweiffahne, mit einem vergoldeten Stab in der Hand und einer Reiherfeder an der Mütze. Ein wahrer Hetman! Er besichtigte die Banner einzeln. Jeder Oberst ritt ihm entgegen, jedem sagte er etwas. Vieles fand seinen Beifall, aber für manches hatte er auch Worte des Tadels. Diejenigen der Neuangekommenen, die zuerst mit der Wahl nicht zufrieden waren, mußten bald zugeben, daß der neue Feldherr ein erfahrener, ans Befehlen gewöhnter Krieger war. –
Noch an demselben Tage sandte Pan Zagloba mehrere Abteilungen nach den verschiedenen Richtungen aus. Am folgenden Tage hörte er sich aufmerksam die Berichte über die Exkursionen an. Dann suchte er Wolodyjowski in seinem Logis auf, das dieser mit Skrzetuski zusammen bewohnte.
»In Gegenwart der Truppen muß ich meine Würde wahren,« sagte er freundlich, »aber wenn wir allein sind, so wollen wir auf dem früheren kameradschaftlichen Fuße weiter verkehren. – Hier bin ich der alte Bekannte, nicht der Vorgesetzte! Ihre Ratschläge werde ich nie verschmähen, obwohl ich meinen eigenen Verstand habe. Ich weiß aber, ihr seid erfahrene Männer, in der ganzen Republik gibt es nur wenige solcher Soldaten.«
Bald war die alte Vertraulichkeit wieder hergestellt, und Jan Skrzetuski fragte Zagloba:
»Väterchen, was denken Sie jetzt anzufangen?«
»Am allerersten will ich Ordnung herstellen; die Disziplin besser aufrecht erhalten und für die Soldaten irgend welche Beschäftigung finden, – Ich habe ganz gut gehört, Pan Wolodyjowski, wie Sie gestern brummten, als ich verschiedene Truppenabteilungen nach allen möglichen Himmelsgegenden aussandte. Ich mußte das aber tun; denn die Soldaten müssen sich allmählich wieder an einen regelrechten Dienst gewöhnen. Dies war der eine Grund dafür, aber ich hatte noch einen zweiten. Soldaten und Säbel haben wir genug hier; doch uns fehlt es an Proviant. Ohne genügende Vorräte kann kein Heer einen Krieg aushalten. Meine Idee ist nun die: Alles, was uns unter die Hände kommt, wird fortgenommen, Kühe, Schafe, Schweine, Brot, Heu, kurz, alles Eßbare.«
»Was aber, wenn die Schlachta darüber Lärm schlägt?«
»Das Heer ist mir jetzt wichtiger als die Schlachta. Soll sie Lärm schlagen. Übrigens will ich ja nichts umsonst haben, wir geben für alles Quittungen aus. Geld habe ich nicht. Aber nach Beendigung des Krieges, wenn die Schweden das Land verlassen haben, wird die Republik alles bar bezahlen.«
»Euer Gnaden haben wirklich den Kopf eines Senators,« sagte Rzendzian, der gerade bei Wolodyjowski war, und sich bis dahin sehr bescheiden auf das äußerste Ende der Bank gesetzt hatte.
»Nicht wahr,« sagte Zagloba selbstzufrieden. »Auch du, Schelm, verstehst dich sehr wohl auf den Vorteil. Sieh zu, daß ich dich nicht einmal zum Statthalter mache, wenn eine Vakanz eintritt.«
»Danke gehorsamst, Euer Gnaden.«
»Ja, – das sind also meine Absichten,« fuhr Zagloba fort. »Erst Vorräte ansammeln und ein befestigtes Lager einrichten. Mag Radziwill dann mit den Schweden, ja selbst mit den Teufeln kommen! Ein Nichtsnutziger will ich sein, wenn ich hier nicht ein zweites Zbaraz mache.«
»Bei Gott, ein großartiger Gedanke!« rief Wolodyjowski, »aber woher nehmen wir Kanonen?«
»Pan Kotowski besitzt zwei, Kmicic eine, in Bialostok sind ihrer vier. Pulver ist auch genug da. Wir werden schon fertig werden. Nur helft mir, Panowie, helft mir! – Aber ihr sollt auch nicht vergessen, an euch selbst zu denken. Vielleicht will jemand von euch etwas trinken. Ich will durchaus nicht der Störenfried sein.«
Wolodyjowski befahl Met aufzutragen.
»Ihr glaubtet wohl, ich werde nur dem Namen nach ein Heerführer sein,« sprach Zagloba weiter, nachdem er einen guten Zug aus seinem Becher getan hatte, »o, nein! Ich habe um dieses Amt nicht gebeten. Doch wenn ihr mich mit ihm bekleidet, so müßt ihr mir auch gehorchen. – Mehr Met, Pan Michail!«
Wolodyjowski schenkte ein, Pan Zagloba trank den Becher mit einem Zuge aus, zog die Augenbrauen zusammen und sagte, indem er sich auf etwas zu besinnen bemühte: »Wovon sprachen wir doch? Was wollte ich? – Aha, Met, Pan Michail, mehr Met!«
Wolodyjowski schenkte wieder ein.
»Ich weiß voraus, daß Sapieha und ich gute Freunde sein werden. Wir gleichen nämlich einander wie ein Pferd
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