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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Flammen geworden war. Einige Flüchtlinge aus Wolkowysk kamen in das Lager und flehten den Heerführer an, ihnen zu helfen. Pan Zagloba ließ Wolodyjowski zu sich rufen.
    »Nun, Pan Michail,« sagte er, »jetzt ist Ihre Stunde gekommen, Ihre Kunst zu zeigen. Nehmen Sie Ihr Laudaer Banner und noch die Hälfte eines anderen zuverlässigen Banners mit sich und vernichten Sie die Räuberbande bei Wolkowysk. Sie können diesen Auftrag als ein Zeichen meines besonderen Wohlwollens betrachten.«
    Wolodyjowski und sein Banner zogen mit großer Lust aus; denn die Untätigkeit war allen schon lange verhaßt geworden. Es vergingen drei Tage. – Von allen Seiten brachte man Proviant ins Lager, auch Freiwillige kamen an; aber von Pan Michail traf keine Nachricht ein.
    Zagloba wurde immer unruhiger, und trotz aller Versicherungen Skrzetuskis, daß Wolodyjowski noch gar nicht zurück sein könne, schickte er hundert Reiter aus, die Erkundigungen einziehen sollten.
    Wieder vergingen mehrere Tage ohne jede Nachricht. Endlich, am siebenten Tage, meldete man das Herannahen eines bedeutenden Heeres.
    »Ich reite ihm mit zwanzig Mann entgegen,« bot sich Oberst Lipnicki an. – Und er ritt fort.
    Einige Stunden später verbreitete sich plötzlich im ganzen Lager das Gerücht:
    »Radziwill kommt!«
    Diese Kunde elektrisierte alle und brachte das ganze Lager auf die Beine. – Die Soldaten stürzten in größter Unordnung auf die Wälle: allein Oskierkas Infanterie nahm die ihr angewiesene Stellung ein. Der Freiwilligen bemächtigte sich eine Panik. Gerüchte, eins unwahrscheinlicher als das andere, wurden in tausend verschiedenen Formen weitergegeben.
    Die Obersten konnten nur mit Mühe die Ordnung wieder herstellen.
    Pan Zagloba geriet, als an seine Ohren der Ruf »Radziwill kommt!« drang, in große Bestürzung.
    »Das kann nicht sein! kann nicht sein!« wiederholte er mehrmals und trocknete sich die Stirn, die mit großen Schweißtropfen bedeckt war. »Diese Schlange! Dieser Mörder! Dieser Luzifer, ist er wirklich schon aus Kiejdane ausmarschiert? Naht wirklich die letzte Minute?«
    Und das Geschrei: »Radziwill kommt! Radziwill kommt!« wurde immer lauter. Pan Zagloba zweifelte nicht mehr daran. Er ergriff seine Mütze und rannte zu Skrzetuski:
    »Jan rette! Jetzt ist's Zeit!«
    »Was ist geschehen?« staunte Jan Skrzetuski.
    »Radziwill naht! Alle meine Hoffnungen ruhen jetzt auf dir. Auch Fürst Jeremias hielt dich für einen geborenen Feldherrn! Ich werde alles persönlich überwachen, aber du mußt handeln!«
    »Radziwill kann es nicht sein,« sagte Skrzetuski ruhig. »Von welcher Seite kommt denn das Heer?«
    »Von Wolkowysk her. Man sagt, Wolodyjowski und die von mir ausgesandte Unterabteilung seien umzingelt worden.«
    »Wolodyjowski hat sich umzingeln lassen? Da kennen Sie ihn schlecht! Er wird es sein, der da zurückkehrt, und kein anderer!«
    »Du hörst doch aber, große Streitkräfte nahen.«
    »Gott sei gelobt, dann ist es Sapieha!«
    »Gott, du Barmherziger! Was redest du da! Man würde uns doch benachrichtigen; Lipnicki ist ihm doch entgegengeritten.«
    »Wieder dafür ein Beweis, daß es nicht Radziwill ist, sie kommen eben zusammen zurück. Gehen wir auf die Wälle!«
    »Das dachte ich auch gleich! Vorwärts, Jan! Jenen allen ist das Herz in die Hosen gefallen! Ha, ha, ha!«
    Auf den Wällen erstrahlte Zaglobas Gesicht vor Standhaftigkeit und Mannesmut. Er blieb jede Minute stehen und schrie aus Leibeskräften:
    »Panowie, Gäste nahen! Verliert nur nicht die Geistesgegenwart! Ist es Radziwill, so werde ich ihm den Rückzug nach Kiejdane zeigen! Zündet Scheiterhaufen auf den Wällen an! Verstecken wollen wir uns nicht!«
    Plötzlich krachten in der Ferne Musketenschüsse. Pan Zagloba faßte Jan Skrzetuski am Rockschoß.
    »Man eröffnet das Feuer!« sagte er bestürzt.
    Aber den Schüssen folgten bald Ausrufe der Freude. Es war kein Zweifel mehr, Freunde kamen. Einige Minuten später trafen mehrere Reiter auf total erschöpften Pferden ein.
    »Pan Sapieha! Pan Wojewod von Witebsk!«
    Bald ritt der Witebsker Wojewod in den Feuerkreis hinein, umgeben von seinen Offizieren. Zu seiner Rechten ritt Pan Wolodyjowski. Sapieha war ein bejahrter, etwas starker Herr. Sein unschönes Gesicht verriet Klugheit und Gutherzigkeit; man konnte bei der ersten Begegnung nicht daran zweifeln, daß man es mit einem ehrlichen Manne zu tun hatte.
    Pan Zagloba empfing ihn an der Spitze seiner Obersten. Er begrüßte ihn durch eine

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