Sintflut
dem anderen. Wir sind doch beide Heerführer. – Bis zu seiner Ankunft muß übrigens alles in Ordnung gebracht sein. – Es ist wirklich ein Unglück, daß ich gar keine Kanzlei habe.«
»Und wozu gebrauchen Sie eine Kanzlei?« verwunderte sich Skrzetuski.
»Wozu braucht der König einen Kanzler? Ich werde wohl irgendwo für mich ein Siegel bestellen müssen.«
»Was wollen Sie denn siegeln, lieber Pan Zagloba?« fragte Wolodyjowski. »Ja – ja, unter uns können Sie mich ruhig nach alter Manier lieber Pan Zagloba titulieren. – Nicht ich werde siegeln, sondern mein Kanzler.«
Die Anwesenden waren sprachlos.
»Wozu ich einen Kanzler brauche? Nun hört mal. – Ihr wißt doch, daß das unerhörte Unglück, das über unser Vaterland hereingebrochen ist, durch Eigenmächtigkeit und Maßlosigkeit hervorgerufen ist. – Met, Pan Michail! Met her! – Die Hauptursache des Unglücks aber sind die Ketzer! Ein Beispiel – der Großhetman von Litauen! Um auf unsere Sache Gottes Segen zu lenken, um Proviant für unsere Truppen zu erlangen, erlasse ich ein Dekret, daß jeder Ketzer sich innerhalb dreier Tage von seiner Verirrung loszusagen habe, widrigenfalls ihm sein Hab und Gut zum Unterhalte des Heeres konfisziert wird.«
Die Ritter sahen einander verwundert an. Sie wußten zwar, daß Zagloba reich an Einfällen war, aber solche politische Feinheiten hatten sie ihm nicht zugetraut.
»Fragt ihr noch,« sagte Zagloba triumphierend, »woher ich genügend Mittel für das Heer herkriegen werde?«
»Das ist wahr,« sagte Pan Michail.
»Das ist aber alles nicht genug,« rief der sich mehr und mehr begeisternde Zagloba aus. »Ich gebe noch ein Dekret an die Schlachta von Podlachien, daß sie selbst kommen und ihre Diener bewaffnen soll, damit wir genügend Infanterie haben. Ich weiß, daß viele von ihnen gewillt sind, ins Feld zu ziehen, sie warten nur noch auf meine Befehle!«
»Sie haben wirklich den Kopf eines Kronkanzlers!« rief Pan Wolodyjowski.
»Met, Pan Michail, Met her! Dann schreibe ich an unseren guten König und tröste ihn in seinem Unglück. Ich werde ihm sagen, daß nicht alle ihn verlassen haben, daß es noch Herzen gibt, die bereit sind, für ihn in den Tod zu gehen. Unser – unser –«
Plötzlich erzitterten die Fenster von einem rasenden Gebrüll. Zagloba ging hinaus, um nach der Ursache des Geschreies zu sehen.
Man hatte die Kanonen gebracht, von denen Zagloba gesprochen hatte, und die Soldaten waren dadurch in eine große Begeisterung geraten. Zugleich übergab man Zagloba dreihundert Musketen, zweihundert Hellebarden und eine größere Summe baren Geldes.
»Pan Oskierka!« rief Zagloba, »nehmen Sie die Musketen und Hellebarden an sich und formieren Sie ein Infanterie-Banner. Also, Panowie, jetzt haben wir Geld, Kanonen und genügend Infanterie. Proviant werden wir auch bald genug haben. Das sind die ersten Resultate meines Oberbefehles.«
»Vivat!« riefen die Soldaten.
»Und jetzt sollen die Soldaten in die umliegenden Dörfer gehen und sich Schaufeln und Hacken borgen. Wir wollen ein befestigtes Lager, ein zweites Zbaraz, herrichten.«
Mit diesen Worten begab sich Zagloba in sein Quartier, begleitet von den begeisterten Rufen des Heeres.
»Bei Gott, dieser Mensch trägt nicht umsonst einen Kopf auf den Schultern,« sagte Pan Wolodyjowski zu Jan Skrzetuski. »Alles geht jetzt anders, besser wie zuvor!«
»Wenn nur Radziwill fürs erste noch nicht käme,« bemerkte Stanislaus Skrzetuski. »Er ist ein Feldherr, der in der ganzen Republik nicht seinesgleichen hat.«
Aber auch Pan Zagloba dachte nicht ohne Unruhe an Radziwill. Er entsann sich zu gut der früheren Siege Radziwills, und die Gestalt des Hetman nahm in seinen Augen unnatürliche Dimensionen an. Er gelobte, sich niemals auf eine große Schlacht mit Radziwill einzulassen.
»Es wird zu einer Belagerung kommen,« dachte er bei sich. »Dann nimmt man zu Verhandlungen Zuflucht, bis Sapieha mit seinen Truppen angekommen ist.« Für den Fall jedoch, daß Sapieha ausblieb, beschloß er, in allem dem Rate Jan Skrzetuski zu folgen. Er wußte, daß Fürst Jeremias diesen Offizier und seine kriegerischen Fähigkeiten ganz besonders hoch geschätzt hatte.
Eine Zeit verstrich, und die ausgesandten Patrouillen wußten noch immer nichts vom Herannahen Sapiehas oder Radziwills zu melden. Sie brachten nur Gerüchte von den Kosaken, die um Wolkowysk standen und die Stadt einzunehmen versuchten, nachdem die ganze Umgegend schon ein Raub der
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