Sintflut
Zaglobas Ruhm ins Ungeheure und verdunkelte alles in seiner Umgebung. Inzwischen hatte man eine Deputation an den Witebsker Wojewoden geschickt, die ihn bitten sollte, hinzukommen und den Oberbefehl zu übernehmen. Aber die Deputation war spurlos verschwunden. Man sprach davon, daß sie in die Hände der Kosaken gefallen wäre, die sich plündernd in der Nähe von Wolkowysk herumtrieben.
Die Obersten beschlossen daher, einen interimistischen Befehlshaber zu wählen, der bis zur Ankunft Sapiehas die Oberleitung übernehmen sollte.
Das Heer verlangte an der Wahl unmittelbaren Anteil zu nehmen, was man ihm auch zugestehen mußte. Die Obersten schlugen vor, einen älteren Feldherrn zu wählen, der durch sein Alter und durch seine Stellung dem Heere Respekt einflößen würde.
»Wer ist hier der Älteste?« erschollen viele Stimmen.
»Onkel ist älter als alle die anderen!« rief Pan Roch so laut, daß er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Es entstand ein fürchterlicher Lärm. Man schrie: »Abstimmen! abstimmen!« Andere riefen: »Wer kann sich mit Zagloba messen? Wer ist ein größerer, erfahrener Ritter? Wir stimmen für Pan Zagloba! Es lebe Pan Zagloba! Es lebe unser Führer! Erlebe! Er hat Gustav-Adolf besiegt! Seinetwegen hat sich Chmielnicki die Haare ausgerauft! Er hat die Obersten gerettet! Und die Schweden bei Klawany geschlagen! Vivat, vivat Zagloba! Vivat! Vivat!«
Und die Menge begann, die Mützen in die Höhe zu werfen und umherzulaufen und Zagloba zu suchen.
Dieser war im ersten Augenblicke sehr verwundert, denn er hatte selbst für Jan Skrzetuski agitiert; als aber die tausendköpfige Menge seinen Namen immer lauter und lauter ausrief, stieg ihm diese allgemeine Anerkennung seines Ruhmes zu Kopf. Er stemmte die Hände in die Seiten, erhob stolz das Haupt und nahm die ihm zu seiner Wahl gebrachten Gratulationen mit der seiner neuen Stellung gebührenden Würde entgegen.
Die Obersten näherten sich ihm und sprachen ihm, ob sie wollten oder nicht, ihre Glückwünsche aus. Nur Pan Wolodyjowski zuckte unwillig mit seinem Schnurrbarte, und Pan Rzendzian, der es verstanden hatte, seine Begegnung mit dem gefürchteten Kmicic und dessen Mission gehörig auszunützen, stand und starrte mit vor Erstaunen weit aufgerissenem Munde auf Zagloba.
Pan Zyromski beglückwünschte Zagloba im Namen aller Obersten, und ein Offizier aus dem Banner Kotowskis hielt im Namen der Truppen eine Ansprache.
Zagloba hörte, von Zeit zu Zeit mit dem Kopfe nickend, zu. Dann beantwortete er die Rede. Er sagte, daß er nie nach dieser hohen Stellung gestrebt hätte und empfahl, auf die ihn umgebenden Obersten weisend, doch von diesen Rittern einen zu wählen und die Bürde dieses großen Amtes von seinen Schultern zu nehmen.
»Nein! nein!« brüllten Hunderte und Tausende von Stimmen. »Nein!« wiederholten auch die Obersten, die gerne ihre Bescheidenheit zeigen wollten.
»Auch ich sehe ein, daß es nicht anders sein kann,« antwortete Zagloba, »so geschehe denn euer Wille. – Ich danke euch von Herzen, Brüder, und hoffe, ihr werdet eure Wahl nie bereuen. Wie ihr für mich euer Leben lassen werdet, so schwöre ich, werde auch ich das meine für euch einsetzen! Selbst der Tod soll uns nicht trennen; denn gemeinsam werden wir nach unserem Tode den Ruhm ernten. – Wir wollen für unseren König, für die Heimat eintreten, für sie leben und sterben! Brüder, auf euch ruht die Hoffnung des Vaterlandes! Auf euch und auf mich sind die Augen der ganzen Republik gerichtet. Zeigen wir ihr, daß sie nicht vergebens ihre Arme hilfesuchend uns entgegenstreckt. Ihr fordert von mir Entschlossenheit und Standhaftigkeit, und ich von euch – Vertrauen und Gehorsam.«
Und Pan Zagloba zeigte mit seinen Armen gen Norden und brüllte los:
»Komm jetzt, Radziwill! Komm, Pan Hetman. Pan Ketzer, Luzifers Wojewod! Wir erwarten dich nicht zerstreut, sondern in einem gemeinsamen großen Lager; nicht mit Papieren und Verträgen, sondern mit Schwertern in den Händen. Komme her! Schlage dich mit Zagloba im Zweikampfe! Rufe die Hölle zu Hilfe, wir wollen uns miteinander messen!«
In der Luft erglänzten mehrere Tausende von Säbeln. Alle drängten sich dicht um Zagloba herum, viele Stimmen hörte man rufen:
»Führe du uns zur Schlacht! Führe du uns!«
»Morgen,« rief Pan Zagloba, »morgen bereitet euch vor.« –
Diese Wahl hatte an einem Morgen stattgefunden, zum Nachmittag war eine Truppenbesichtigung angesetzt worden.
Auf dem
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