Sintflut
Uns hält nicht die schwedische Macht zurück, sondern die unselige Unbeständigkeit unseres Volkes; das wie Proteus täglich sein Gesicht wechselt. Können wir überzeugt sein, daß die Reue echt und diese Ergebenheit aufrichtig ist? Können wir dem Volke glauben, das uns erst vor kurzem verlassen und sich leichten Herzens mit dem Usurpator gegen seinen König, gegen sein eigenes Land, gegen seine Freiheit verbunden hat? Beschämt und schmerzhaft krampft sich unser Herz zusammen unseres Volkes halber! Weist die Geschichte je ein solches Beispiel auf! Und so traurig es auszusprechen ist, so sind wir inmitten unseres eigenen Heeres nicht unseres Lebens sicher!«
»Majestät!« rief Kmicic aus, »unser Volk hat sich schwer versündigt, und Gottes strafende Hand liegt hart auf ihm. Aber bei Christus schwöre ich Ihnen, unter diesem Volke würde sich keiner finden, der es wagen sollte, die Hand zu legen an die heilige Person des von Gott Gesalbten!«
»Sie glauben das nicht, und doch besitzen wir leider Beweise. Schlimm haben uns die Radziwills alle die Wohltaten belohnt, mit denen wir sie überschütteten. Schließlich aber erwachte in dem Verräter Boguslaw doch das Gewissen, er wollte nicht nur seine Hand nicht zu einem Attentate leihen, sondern er war der erste, der uns gewarnt hat.«
»Von welchem Attentate sprechen Sie?« rief der erstaunte Kmicic.
»Fürst Boguslaw teilte uns mit, daß sich ein Mann bei ihm gemeldet, der versprochen hätte, mich für hundert Dukaten zu ergreifen und den Schweden lebend oder tot auszuliefern.«
»Wer war es denn? Wie hieß der Mann?« konnte sich Kmicic nicht enthalten zu fragen.
»Ein gewisser Kmicic,« entgegnete der König.
Das Blut strömte Pan Andreas zu Kopfe, vor den Augen wurde es ihm finster, er faßte mit beiden Händen an seinen Kopf und schrie mit fürchterlicher, wahnsinniger Stimme:
»Das ist eine Lüge! Fürst Boguslaw lügt wie ein Hund! Majestät, glauben Sie diesem Verräter nicht. Er hat dieses Märchen absichtlich ersonnen, um an einem seiner Feinde Rache zu nehmen. O Majestät, Kmicic würde so etwas nie tun!«
Hier wankte Pan Andreas. Seine durch die lange Belagerung und die Martern Kuklinowskis erschöpften Kräfte verließen ihn, er sank ohnmächtig zu Boden.
Man trug ihn in ein Nebenzimmer. Die Würdenträger konnten durchaus nicht begreifen, warum die Worte des Königs einen so furchtbaren Eindruck auf den jungen Schlachtschitzen gemacht hatten.
»Wenn er nur kein Verwandter von Kmicic ist,« sagte der Kastellan von Krakau.
»Darüber wird man sich Sicherheit verschaffen müssen,« antwortete Korycinski.
»Meine Herren!« begann Tyzenhauz. »Gott bewahre mich, daß ich von diesem Schlachtschitzen etwas Schlechtes sagen werde, aber es ist gut, ihm nicht allzusehr zu trauen. Daß er in Czenstochau war, ist wahr, und doch will mir ein unabweisbarer Gedanke nicht aus dem Kopfe und vergiftet mein Vertrauen zu ihm. Sehen Sie, ich bin diesem Manne schon einmal in Litauen begegnet, aber ich weiß nicht wo.«
»Nun, und was beweist das?« fragte der König.
»Ich dächte, daß er sich damals nicht Babinicz nannte.«
»Seien Sie vorsichtig mit Ihren Vermutungen. Sie sind jung, zerstreut, Sie können leicht zwei Menschen miteinander verwechseln. Ob er Babinicz heißt oder nicht, warum sollten wir ihm mißtrauen? Aus seinem Gesichte strahlen Mut und Offenherzigkeit. Wahrhaftig, ich müßte ja aufhören, mir selbst zu glauben, wenn ich einem Soldaten, der für das Vaterland und für uns sein Blut vergossen hat, nicht trauen sollte.«
»Er verdient sicherlich mehr Vertrauen als der Brief des Fürsten Boguslaw,« fiel plötzlich die Königin ein. »In diesem Briefe, so behaupte ich, steht nicht die Wahrheit. Die Radziwills würden sehr viel gewinnen, wenn wir den Mut verlören. Es ist leicht möglich, daß der Fürst einen Feind verderben und sich gleichzeitig eine Hintertür zu unserem Vertrauen sichern wollte.«
»Wenn wir nicht gewöhnt wären, daß durch den Mund der Königin die Weisheit selbst spricht, so würde ich mich über die Feinheit des ausgesprochenen Gedankens wundern,« sagte der Primas.
Die geschmeichelte Königin erhob sich von ihrem Platze und fuhr fort:
»Ich will nicht von den Radziwills, nicht von dem Briefe des Fürsten Boguslaw sprechen, der wahrscheinlich seine persönlichen Ziele verfolgte, ich will über die Worte des Königs, meines Gemahls, sprechen, die mich bitter geschmerzt haben. Wer soll sich sonst über die polnische
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