Sintflut
Nation erbarmen, wenn der eigene König sich von ihr abwendet? Es ist wahr, die Nation hat sich schwer versündigt, wo aber findet man eine andere, die so schnell und reuig ihre Schuld bekennt? Jetzt ist sie bereit, für ihren Herrscher ihr Gut, Leben und Blut zu opfern. Wollen Sie sie nun zurückstoßen? Wollen Sie Ihren reuigen, gebesserten Kindern Ihr Vertrauen nicht wieder schenken? Majestät, das können Sie nicht; denn Ihr Volk sehnt sich nach Ihnen und Ihrer weisen Regierung. – Kehren Sie in Ihr Land zurück! – Ich bin nur ein Weib; aber ich fürchte keinen Verrat! Ich sehe die Liebe des Volkes vor mir, ich sehe das wiederhergestellte Reich vor mir, das Sie nach dem Tode Ihres Vaters und Bruders auf den Thron berufen hat. Ich kann nicht eine einzige Minute glauben, daß der allergnädigste Gott unsere Republik dem endgültigen Verderben preisgeben wolle. Er hat seinen Kindern Unglück und Leid geschickt, um sie für ihre Sünden zu strafen, aber er wird wieder die Sonne seiner Gnade über sie leuchten lassen. Majestät, öffnen Sie den Reumütigen Ihre Arme, und stoßen Sie sie nicht von sich! So allein kann sich Böses in Gutes, Niederlage in Triumph verwandeln!« – –
Mit leuchtenden Augen und wogender Brust ließ sich die Königin wieder auf ihren Platz nieder. Die Großwürdenträger blickten sie mit Verehrung an; alle waren von ihrer Begeisterung mit fortgerissen worden. Sogar auf des Königs bleichem Gesicht flammte eine Röte auf, und er rief:
»An der Seite einer solchen Königin gebe ich mein Königreich nicht verloren! Ihr Wille geschehe. Je eher ich die Reise antrete und wieder die Zügel der Regierung ergreife, desto besser!« –
»Ich will mich dem Willen Ihrer Majestät nicht widersetzen,« sagte langsam und feierlich der Primas, »noch will ich Ihnen abraten, Ihre Absichten auszuführen: aber es wäre ratsam, wenn wir uns vorher in Oppeln versammeln und alles mit den Senatoren besprechen würden.«
»Gut denn, auf nach Oppeln!« rief Jan Kasimir. »Von dort geht's dann weiter; Gottes Wille geschehe!«
»Gott wird uns Sieg und eine glückliche Rückkehr schenken!« fügte die Königin hinzu.
»Amen«, sagte leise der Primas.
3. Kapitel.
Kmicic rannte in seinem Zimmer wie ein angeschossener Luchs wild umher. Die höllische Rache Boguslaw Radziwills machte ihn geradezu rasend. Genügte es nicht, daß der Fürst seinen Händen entschlüpft war, daß er ihm seine Leute getötet und ihn selbst fast ins Grab gebracht hatte, – mußte er ihm noch diesen gemeinen Schimpf antun?
Es gab Minuten, in denen Kmicic auf alles verzichten wollte, auf Ruhm und auf den Dienst beim Könige. Er wollte alle diese Hoffnungen von sich werfen und fortlaufen, einzig und allein, um sich an seinem Feinde zu rächen. Aber sobald er ruhiger geworden, sah er trotz seiner Wut ein, daß der Fürst, solange er lebte, seiner Rache nicht entgehen würde, und daß er am besten die ganze Gemeinheit dieser Verleumdung zunichte machte, wenn er dem Könige treu diente.
Kmicic schwelgte in dem Gedanken seiner künftigen Rache. Er sah den Fürsten wieder in seinen Händen und schwor bei dem Andenken seines Vaters, sich seiner zu bemächtigen um jeden Preis.
Der König, der mit dem Beschluß der Beratung zu Oppeln sehr zufrieden war, kehrte nach Glogau zurück und berief mehrere Offiziere aus seiner Umgebung, darunter auch Kmicic, zu sich.
»Ich bin bereit, noch heute von hier aufzubrechen«, sagte Jan-Kasimir. »Sie, meine Herren, als erfahrene Krieger, sind dazu berufen, einen Plan für unsere nächsten Schritte auszuarbeiten.«
»Man muß möglichst schnell handeln«, meinte Oberst Wolf, »solange der Feind nichts ahnt und seine Gegenmaßregeln noch nicht getroffen hat.«
»Der Feind ist auch ohnehin schon wachsam genug und hält alle nötigen Wege besetzt«, entgegnete Kmicic.
»Wieso denn?« fragte der König.
»Majestät, Ihre bevorstehende Rückkehr ist für die Schweden keine Überraschung mehr. In der Republik kursieren täglich Gerüchte, daß Sie entweder schon unterwegs sind oder die Grenze Polens schon überschritten haben. Man muß die größte Vorsicht üben und einen Weg durch die Schluchten des Gebirges wählen, da alle anderen Wege durch die Patrouillen von Douglas besetzt sind.«
»Die beste Vorsicht«, mischte sich Tyzenhauz ein, indem er Kmicic herausfordernd ansah, »sind dreihundert treue Degen. Sobald Majestät mir das Kommando über diese übergibt, werde ich Sie wohlbehalten
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