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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Immer wärmere Strahlen sandte die Sonne auf die Erde, die Bäume standen im Blütenschmucke, – und das arme Mädchen wartete umsonst auf die Befreiung aus ihrer Gefangenschaft. Anna lehnte es entschieden ab zu fliehen; denn im Lande wüteten mehr und mehr die Schrecken des Krieges.
    Man sprach in Tauroggen von der Erhebung des ganzen polnischen Volkes. Sakowicz stellte seine Expeditionen ein; er schrieb nur noch Briefe, die er nach allen Richtungen aussandte.
    Der Miecznik verlor ganz den Kopf und benahm sich im höchsten Grade absonderlich. Eines Abends, als er Alexandra »Gute Nacht!« sagte, brach er in Schluchzen aus und stürzte eiligst aus dem Zimmer.
    Am folgenden Tage war er verschwunden, als wenn ihn die Erde verschluckt hätte. Alexandra fand nur einen Brief, der also lautete:
    »Liebes Kind, möge Gott dich segnen, und möge er mich verurteilen, wenn ich unrichtig gehandelt habe. Aber ich litt schon lange vielen Kummer und schwöre, daß ich mir nicht mehr anders zu helfen wußte. Bei dem Gedanken, daß da draußen Ströme polnischen Blutes für die Freiheit und für das Vaterland fließen, und kein Tropfen von meinem Blute diesen Strom vergrößert, schien es mir, als habe sich Gottes Antlitz von mir abgewendet. Ich müßte kein Schlachtschitz, kein Billewicz sein, wenn ich jetzt bei dir bliebe, um dich zu schützen. Wärest du ein Mann, du handeltest genau wie ich, und deshalb wirst du mir verzeihen, daß ich dich allein lasse wie Daniel in der Löwengrube.«
    Alexandra weinte; aber sie fühlte, daß die Liebe zu ihrem Onkel in ihr größer wurde.
    Als sich in Tauroggen die Nachricht von der Flucht des Miecznik verbreitete, erhob sich ein großer Lärm. Der wütende Sakowicz stürzte in das Zimmer von Alexandra und fragte, ohne die Mütze vom Kopfe zu nehmen:
    »Wo ist Ihr Onkel?«
    »Da, wo alle sind, ausgenommen die Verräter! – Im Felde!«
    »Sie wußten davon?« rief der Kommandant. »O«, wäre nicht der Fürst, so – – Sie werden dem Fürsten dafür Rede stehen!«
    »Weder dem Fürsten noch seinem Söldner! – Und jetzt –«
    Und sie wies mit dem Finger auf die Tür.
    Sakowicz knirschte mit den Zähnen und ging.
    Übrigens erhielt Sakowicz an demselben Tage einen kleinen Trost. Ein Brief vom Fürsten Boguslaw traf ein mit der Nachricht, daß der schwedische König sich glücklich aus der ihm gestellten Falle gerettet habe. Gleichzeitig forderte Boguslaw, daß man ihm sämtliche Truppen, mit Ausnahme einer winzigen Garnison, die in Tauroggen bleiben mußte, nachsenden solle.
    Die Reiterei verließ am nächsten Tage schon Tauroggen. Ihr folgte Ketling, Öttingen, Fitz-Gregory, kurz, alle außer Braun, der entschieden unabkömmlich war.
    Nach einer ziemlich langen Zeit des Wartens traf endlich dann wieder ein Brief von Boguslaw ein.
    »Warschau ist den Schweden genommen!« schrieb er. Und dann teilte er Einzelheiten über den Sturm von Warschau mit. »Der schwedische König«, fuhr er fort, »ist jetzt seiner Sache sicher. Er will vereint mit des Kurfürsten und meinen Kräften Jan-Kasimirs Truppen gänzlich vernichten. Ich verstehe vollkommen, daß, wenn wir die bevorstehende Schlacht verlieren, der Kurfürst sich gleich gegen die Schweden wenden wird, um sich dadurch Jan-Kasimirs Gunst zu sichern. Auch ich werde dann dafür sorgen, meine Haut und mein Hab und Gut zu retten. Es müssen Vorsichtsmaßregeln ergriffen werden. Verkaufe daher alles, was du zu Geld machen kannst, selbst wenn du zu diesem Zwecke mit den Konföderierten in Beziehungen treten müßtest. Du selbst geh nach Birze, von dort ist es näher nach Kurland. Ich würde dir raten, dich nach Preußen zu begeben, aber nach dorthin hat man vor kurzem Babinicz geschickt, und du mußt dich hüten, ihm zu begegnen.«
    Sakowicz überlegte, was er tun solle. Der Weg nach Birze war ihm durch die Partei Billewicz' und andere größere und kleinere Parteien verlegt. In Tauroggen zu bleiben war auch gefährlich. Jeden Augenblick konnte der gefürchtete Babinicz mit seinen Tataren kommen und schreckliche Rache nehmen.
    Der noch bis eben so selbstsichere Kommandant fühlte plötzlich das Bedürfnis, sich mit jemandem zu beraten und ließ Braun zu sich bitten. Beide beschlossen nun, in Tauroggen zu bleiben und dort erst weitere Nachrichten zu erwarten.
    Braun ging sogleich nach diesem Beschlusse zu Panna Anna. Sie sprachen lange miteinander, dann trat Braun mit erregtem Gesicht aus dem Zimmer, und Anna flog wie ein Wind zu Alexandra.

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