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Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Sinuhe, Sohn der Sykomore 1

Titel: Sinuhe, Sohn der Sykomore 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Brueckmann
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Dorfschönheit fand sich unter ihnen. Ein Pharao hatte stets eine Große Königliche Gemahlin, häufig seine eigene Schwester oder Halbschwester, konnte aber auch offizielle Nebenfrauen nehmen. Die übrigen waren Konkubinen, Gespielinnen für eine Nacht, mit etwas Glück und Geschick auch mehr. Sie konnten zur Nebenfrau aufsteigen, wenn Pharaos Liebe zu einer von ihnen entbrannte. Die Kinder, die aus diesen Vereinigungen hervorgingen, galten allesamt als Prinzen und Prinzessinnen, und, wenn es auch selten geschah, manchmal stieg ein solcher Spross der königlichen Lenden selbst zum Träger der Doppelkrone auf oder wurde als Große Königliche Gemahlin die erste Dame des Landes.
    Die Königlichen Gemahlinnen waren in einem eigenen Flügel untergebracht, der direkt an die Privaträume des Pharaos grenzte, und durften das Frauenhaus nach Belieben verlassen. Die Konkubinen jedoch blieben in den luxuriös angelegten Anlagen des Harems, bis sie starben. Viele schätzten sich glücklich, ein solches Los zu haben, denn hier litten sie keinen Hunger. Kleidung, Schmuck, Parfüm gab es im Überfluss. Ein großartiger Garten und ein Schwimmbecken luden zum Verweilen ein. Sogar eine ärztliche Versorgung gab es. Die größte Gefahr war die Langeweile.
    Seit Amenemhet Pharao war, hatte er den Konkubinen selten einen Besuch abgestattet, weshalb auch nur wenige Kinder durch die großzügigen Anlagen tollten. Die Tage in diesem Flügel des Frauenhauses verliefen eintönig. Das einzige Vergnügen bot der Hofklatsch, den die Dienerinnen ihren Damen zutrugen – und Intrigen. Eifersüchtig achteten die Konkubinen darauf, dass ihr Rang im Gefüge des Harems peinlich beachtet wurde, und trachteten danach, ihre Sprösslinge möglichst vorteilhaft in Szene zu setzen. Sinuhe vermutete, dass ihn bei Kalla etwas in dieser Art erwartete.
    »Ich bin Sinuhe, der neue Schreiber von Meketre«, stellte er sich vor. »Du hast eine Beschwerde vorzutragen?«
    »Allerdings«, fauchte die junge Frau. »Anuket hat wieder einmal die ganze Nacht hindurch Lärm gemacht. Mein Zimmer liegt neben ihrem, und ich konnte kein Auge zutun. Mit solchen Augenringen wird Pharao mich gewiss übersehen, sollte er heute kommen!«
    Sinuhe betrachtete das makellose Gesicht mit Skepsis und räusperte sich. »Nun, wie ich heraushöre, wird es bei Anuket öfter laut?«
    Kalla nickte bestätigend.
    »Anuket ist doch die Mutter der Prinzessin Meritamun«, fragte Sinuhe, auf deren gehobene Stellung im Harem anspielend.
    »Das schon. Aber sie trinkt«, antwortete die Konkubine und setzte einen imaginären Krug an ihren Mund.
    Sinuhe verstand. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Konkubinen im Weinrausch ihre Langeweile zu vergessen suchten.
    »Sie ist immer besoffen«, ergänzte Kalla, »egal, was die Beamten auch unternehmen. Und das, obwohl Meketre jeden Abend zu ihr geht, um ihr Gesellschaft zu leisten!«
    Das überraschte Sinuhe. Wieso sollte der Vorsteher dieser einen Konkubine solche Aufmerksamkeit widmen? Ob die beiden heimlich ein Paar waren? So etwas kam vor, wenn auch hohe Strafen darauf standen. Oder steckte etwa noch Schlimmeres dahinter? Immerhin war Anuket Meritamuns Mutter. Er hatte mitbekommen, dass Höflinge versucht hatten, sich der Haremsdame zu nähern. Was plante Meketre also? Oder war doch alles ganz harmlos? Er würde es herausfinden.
    »Ich kümmere mich darum, dass dein blendendes Aussehen nicht unter weiteren Störungen der Nachtruhe zu leiden hat«, sagte er der feurigen Schönheit, die den Sarkasmus durchaus bemerkte, es aber zufrieden war, dass sie ihren Willen durchgesetzt hatte.
     
    Entschlossen pochte Sinuhe an die Tür zu Anukets Gemach. Als keine Antwort kam, drückte er sein Ohr an die Tür, um zu hören, ob jemand im Raum war. Da vernahm er leises Weinen und betrat rasch das Zimmer.
    Ein unbeschreiblicher Geruch schlug ihm entgegen. Im Dämmerlicht erkannte er herumliegende Kleidungsstücke, umgeworfene Möbel und dann das kleine Mädchen, das weinend in der Ecke saß und sich vor- und zurückwiegte. Halb aus dem Bett hing der Körper der Konkubine. Sie lag auf dem Rücken, die Beine hingen schlaff vom Bettrand herab. Trotzdem machten die angewinkelten Arme den Eindruck von Verkrampftheit, der Sinuhe sofort stutzig werden ließ. Erbrochenes bedeckte Anukets Züge und hatte sich in einer mit Bröckchen durchsetzten Lache neben der Kopfstütze gesammelt. Ein leerer Weinkrug war offenbar vom Bett gerollt und lag auf dem Boden. Erschrocken watete

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