Sinuhe, Sohn der Sykomore 1
nehmen.«
Sesostris machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich soll ja Meritamun zu meiner Gemahlin nehmen, die Kleine von Mentuhotep.«
»Ah ja. Ich bin ihr schon begegnet. Das dauert aber noch, bis es so weit ist. Wie alt ist sie jetzt? Zehn Überschwemmungen?«
»Mh«, machte Sesostris. »Wenn du sie schon gesehen hast – wie sieht sie denn aus?«
Sinuhe wunderte sich ein wenig, dass sein Freund noch keinen Blick auf seine zukünftige Frau geworfen hatte, behielt aber den frotzelnden Ton ihrer Unterhaltung bei. »Ach, manche sagen so, manche so.« Nach einer Pause, in der Sesostris ihn fragend ansah, setzte er hinzu: »Ich sage, sie sieht aus wie eine Kröte.« Der Satz endete in einem kaum verständlichen Prusten.
»Wer ist hier der Quatschkopf?«
»Schon gut, sie ist ganz niedlich. Ihre Mutter war ja auch mal eine schöne Frau.«
»Dann kann ich mich ja auf den Tag freuen, wenn sie mannbar wird. Aber jetzt lass uns feiern gehen. Am Hafen gibt es eine ganz annehmbare Schenke.«
Sinuhe hielt den Freund zurück: »Sag mal, hast du schon mal eine Frau gehabt? Ich«, verlegen sah er zu Boden, »möchte Sati nicht enttäuschen.«
Der Prinz brach in Gelächter aus.
»Sag bloß, du hast noch nie …? Oh Sinuhe! Das ist zu komisch!«
»Ich liebe Sati eben! Hör auf zu lachen, das Ganze ist mir schon peinlich genug!«
Sesostris wischte sich die Tränen aus den Augen. »Wenn du willst – ich kenne da eine Schenke, in der die Frauen dir …«
»Nein, das will ich auf keinen Fall!«, unterbrach Sinuhe entrüstet.
»Reg dich nicht auf. Ich wollte nur sagen, ich kenne eine Dame , die dir sicher alles Nötige erklären wird – nur erklären. Na komm schon. Ich bezahle, einverstanden?«
6 ~ Leben und Tod liegen nah beieinander
Regierungsjahr 10 von Amenemhet I
Drei Monde ungetrübten Glücks lagen hinter den frisch Vermählten. Sati hatte ihr neues Heim bereits eingerichtet. Die eleganten Möbel, ein Geschenk ihres Vaters, hatte sie geschmackvoll auf die Räume verteilt. Nun gewöhnte sie sich allmählich daran, einem eigenen Hausstand vorzustehen. Auch die Dienerschaft stammte aus dem Haus des Wesirs – ein Mann und eine Frau. Es war für Sati nicht schwer, ihnen Anweisungen zu erteilen. Aber sie musste feststellen, dass es den beiden gar nicht schmeckte, in einen ›niedrigen Haushalt‹ versetzt worden zu sein. Hori versah als Diener nur widerwillig seine Aufgaben, und Nebetanch, die Köchin, hatte sich anfangs schlichtweg geweigert, die ihrer Meinung nach zu einfachen Speisen zuzubereiten. Und so musste Sati ein strenges Auge auf die Einkaufsliste der Köchin halten, sogar damit drohen, sie bei ihren Gängen zum Markt zu begleiten, wenn sie sich nicht an ihre Anweisungen hielt.
Erschrocken hatte Nebetanch gerufen: »Aber Herrin, das schickt sich nun wirklich nicht! Was sollen die Leute denken?«
Seitdem kam im Haus des Sinuhe zwar einfache, doch schmackhafte Kost auf den Tisch. Sati hatte ihren Mann nicht mit den Schwierigkeiten behelligt, denn der Haushalt war ihr Bereich. Außerdem forderte Sinuhes neue Stellung dem jungen Beamten viel ab. Sie wollte die häuslichen Sorgen von ihm fernhalten, denn Probleme gab es bei Hofe schon genug. So hatte sie Sinuhe auch verschwiegen, dass sie sich seit einigen Tagen nicht wohlfühlte. An diesem Morgen hatte sie sogar ihr Frühstück erbrochen. Gedankenverloren fuhr sie mit einem Finger die Schnitzereien auf ihrer Schminkpalette nach. Sinuhe … Beim Gedanken an ihren Mann umspielte ein versonnenes Lächeln ihre Lippen.
Sinuhe war als Ehemann genauso aufmerksam und zärtlich, wie sie es sich erhofft hatte. Sati trat zwar im Allgemeinen forsch und unerschrocken auf, doch vor den ehelichen Pflichten hatte sie sich gefürchtet. Ungewollt schoben sich Bilder vor ihr inneres Auge, Erinnerungen an den Vorfall aus ihrer Kindheit. Sie hatte sich schon damals geschworen, nie mehr zuzulassen, dass sich ein Mann ihr aufzwang.
Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken.
Aber die Gefühle ließen sich nicht so einfach vertreiben. Manchmal war ihr, als könne sie die Hand des Fremden immer noch an und in sich spüren. Sie schüttelte sich vor Ekel und musste schon wieder würgen. Wieso konnte sie das nicht vergessen? Durch Sinuhe hatte sie doch erfahren, wie erfüllend die Vereinigung zwischen Mann und Frau sein konnte. Mit einer unwilligen Handbewegung wischte Sati die Gedanken fort.
In Sinuhe hatte sie einen Partner gefunden, der wie sie die Literatur
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