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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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was Madoka gesagt hat“, meinte er, und man merkte ihm an, wie unangenehm es ihm war, das Thema auf diesen Punkt bringen zu müssen. „Sie behauptet, ihr Vater, der Psychiater Dr. Fumio Andô, würde sie beobachten – und zwar durch deine Augen hindurch! Es klingt verrückt, ich weiß, aber was ist, wenn sie recht hat?“
    Melanies Miene verfinsterte sich. „Ich dachte, du wärst auf meiner Seite in diesem albernen Spionage-Streit.“
    „Melanie, du bist keine Spionin! Das hat Madoka nicht verstanden, weil sie zu misstrauisch ist. Aber du warst in dem Film. Für ein paar Minuten warst du ein Teil dieser Realität. Und es ist unwahrscheinlich, dass dieses Ereignis keine Auswirkungen auf dich hatte. Du bist nicht mehr die, die du vor deinem klinischen Tod warst. Du bist nie vollständig zurückkehrt. Du bist immer noch ein Teil beider Realitäten. Wer den Film hat“, er hustete seine rau gewordene Stimme frei, „kann damit unter Umständen auf dich zugreifen, vielleicht deine Sinne benutzen, vielleicht deine Gedanken lesen, vielleicht dich kontrollieren oder …“
    „Danke, das reicht!“ Sie hatte zu zittern begonnen. „Der Gedanke, dass jemand in den letzten zweieinhalb Jahren alles gesehen hat, was ich gesehen habe, ist … furchtbar.“
    „Es tut mir leid.“ Werner senkte den Kopf. Nuschelnd sagte er hinter vorgehaltener Hand: „Der Dieb muss den Film nach Japan verkauft haben. An Dr. Andô oder an jemanden aus dessen Umfeld.“
    „Dann muss ich wohl ins Reich der aufgehenden Sonne fliegen, um die Sache zu bereinigen.“
    „Was genau meinst du mit ‚bereinigen’?“, erkundigte sich der Rektor unsicher. Mit der Hand, die er nicht brauchte, um seinen Mund zu bedecken, warf er unablässig einen Apfel hoch und fing ihn wieder auf. Jeder zweite Versuch misslang, und der Apfel prallte von seinen Fingern ab.
    Erneut lachte Melanie. „Ich meine damit, dass ich mir den geschätzten Daddy meiner Lieblingskommilitonin einmal vorknöpfe, das rechtmäßige Eigentum von Schloss Falkengrund einfordere und den Herrn Psychiater nebenbei frage, wie amüsant er es finden würde, wenn jemand die Welt durch seine Augen betrachten würde …“
    „Melanie, Melanie, Me-la-nie! Entspann dich! Ich verstehe ja, dass dich das alles in Rage versetzt. Du solltest dir jetzt ein paar Stunden Ruhe gönnen und das Ganze noch einmal innerlich aussortieren. Dann kommst du wieder zu mir zurück, und ich mache dir einen Vorschlag.“
    „Du kannst ihn mir auch jetzt machen.“
    „Nein, ich warte lieber noch, bis du dich beruhigt hast.“
    „Woher weißt du, dass ich nicht meine Koffer packe und in den nächsten Flieger springe, ohne mich von dir zu verabschieden? Du kennst mich, Werner. Ich bin spontan. Ich tue solche Dinge. Beruhigen kann ich mich noch auf dem Flug um die halbe Erdkugel.“
    Er seufzte tief. „Das ist Erpressung.“
    Melanie drehte Däumchen. „Dein Vorschlag?“
    „Ich wollte nur anregen, dass du nicht alleine fliegst, falls du wirklich in Japan nach dem Film suchen willst. Du solltest unbedingt mit Begleitung reisen.“
    „Aha, du möchtest dir die Geishas also einmal aus der Nähe ansehen …“
    Er schmunzelte bitter. „Immer. Und mehr noch diese wundervollen Landschaftsgärten. Aber ich dachte eher an eine Person, die das Land schon sehr gut kennt.“
    Melanie brauchte eine Sekunde, um die Anspielung zu verdauen. Als sie kapiert hatte, worauf er hinauswollte, sprang sie auf. „Du machst Witze! Mit Madoka verreisen?“
    „Na ja, du weißt doch: Als Tourist übersieht man die schönsten Stellen eines Landes. Die leckersten Sushi-Lokale, die Karaoke-Bars mit der besten Akustik …“
    Sie fletschte die Zähne. „Werner, wenn nicht du es wärst, würde ich dir jetzt den Kragen umdrehen!“
    Der Rektor ließ sich ins Gras kippen und kroch auf allen Vieren davon. „Ich bin’s! Ich bin’s!“, rief er.

10
    Frau Kapf und die anderen hatten schon manche Absonderlichkeit erlebt, seit sie in dieses Viertel gezogen waren – und dies lag für die meisten schon eine Ewigkeit zurück. Viele eigenartige Menschen hatten viele eigenartige Dinge gesagt und getan, und viele eigenartige Götter hatten beschlossen, dass der Eigenartigkeiten noch nicht genug seien und dass es noch vieler eigenartiger Züge des Schicksals bedurfte, um allen die nötige Dosis zu verabreichen. Klar, dass man abstumpfte. Klar, dass man versuchte, sich herauszuhalten.
    Doch was die nächsten Wochen für die Bewohner der Straße

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