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Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe

Titel: Sir Darrens Begräbnis - Magie - Engel, Gift, Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Geschöpf wahrgenommen zu haben, das eine Teufelsfratze trug. Doch so oft er Frau Kapf auch das Versprechen abnahm, das nächste Mal darauf zu achten und seine Beobachtung zu bestätigen – sobald der schmucke Chauffeur in ihr Blickfeld kam, vergaß sie die Welt um sich. „Die weißen Handschuh“, sagte sie. „Ham Sie die blütenweißen Handschuh gesehn?“
    Eine Weile gab es frischen Gesprächsstoff in der Straße, als Frau Tritschler eine Neuigkeit aus der Zeitung an die anderen weitergab: Herr Kaiser, der seinerzeit bei der Bürgermeisterwahl durchgefallen war (sicherlich nicht wegen des Phallus, den ihm jemand auf die Stirn gemalt hatte), war in einer benachbarten Ortschaft gewählt worden. Dummerweise gab es schon nach den ersten Wochen im Amt einen Skandal. Er war von Journalisten in flagranti mit einem Strichjungen ertappt worden. Bei einer öffentlichen Stellungnahme stotterte er, er sei nicht von Haus aus homosexuell, habe diese Neigung erst kürzlich entdeckt und werde versuchen, dagegen anzukämpfen.
    „Ich hätte zu gern seine Wahlplakate gesehen“, meinte Herr Paulsen, der sich immer in Diskussionen einmischte, bei denen man ihn gar nicht haben wollte. „Können Sie sich an die Plakate erinnern?“
    „Er hat fesch ausgesehn“, entgegnete Frau Kapf. „Gar nicht wie ein Schwuler.“ Die anderen Frauen nickten. Nur Herr Paulsen wirkte unzufrieden.
    Überhaupt, dieser Herr Paulsen …
    Herr T. R. M. Paulsen, wie neben seiner nicht funktionierenden Türglocke stand, machte im Laufe der Monate einen immer nervöseren Eindruck. Es war beinahe, als warte er auf eine große Katastrophe. „Die Limousine fährt und fährt“, sagte er manchmal. „Und diese Straße fährt mit ihr … in die Hölle!“
    Die Frauen wiesen das energisch zurück. Sie fanden, dass es ihnen im Grunde nicht so schlecht ging. Jeder zweite der Männer, die hier wohnten, hatte eine Arbeit – da konnte man doch wohl kaum von einer Hölle reden. Mit den neuen Mietern in den Kellern kam man gut aus (eine von Frau Tritschlers Töchtern bekam sogar ein Kind von dem Mann in ihrem Haus), und dank der schärferen Gesetze sahen die Vorplätze wesentlich aufgeräumter aus als zuvor.
    Man durfte keine Wunder erwarten.
    Ab und zu gab es natürlich Verbrechen in der Nachbarschaft. Herr Salensky prügelte im Suff einen Passanten fast zu Tode, den er mit einem alten Rivalen um die Liebe seiner Frau verwechselte (es war schon ziemlich dunkel, als es geschah, einige der Straßenlaternen funktionierten nicht, und Herr Salensky hatte den Rivalen schon seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen). Er musste für einige Jahre ins Zuchthaus. Für Frau Salensky war das freilich ein Schlag, doch sie fand rasch etwas, an dem sie sich festhalten konnte.
    Die Limousinen kamen jetzt jeden Abend. „Schön, dass die immer da sind“, sagte sie öfters einmal. „Die tun uns Sicherheit geben, und Stabilität. Wenn die einmal wegbleiben, weiß ich nicht, was ich anfangen soll …“
    So kam es, dass ausgerechnet Herrn Paulsens Verbrechen die höchsten Wellen schlug.
    An jenem Abend schlich er unruhig um das Haus. In der Innentasche seines Mantels verbarg er etwas. Seine Brust machte einen ganz ausgebeulten Eindruck. „Gott, Herr Paulsen“, rief Frau Kapf. „Sie wern doch keine Waffe da drin haben!“ Daraufhin zog er den Gegenstand heraus, um sie zu beruhigen. Die Dämmerung war schon zu weit fortgeschritten, um sie genau erkennen zu lassen, was es war (die nicht funktionierenden Straßenlampen waren nie repariert worden), aber Frau Kapf sagte später aus, dass sie es für einen Flachmann gehalten habe, eine jener kleinen Flaschen, in denen man einen Schnaps für unterwegs transportierte. Sie hatte den Mann bisher noch nie Alkohol trinken sehen, und es beruhigte sie, dass er jetzt endlich etwas gegen seine Nervosität zu unternehmen schien.
    Als die Limousine am Ende der Straße auftauchte, zog sich T. R. M. Paulsen ganz in die Schatten zurück. Er wartete, bis sie auf wenige Meter herangekommen war, dann verließ er sein Versteck. Der kleingewachsene ältere Mann hob einen Stein vom Boden auf, den er – jetzt fiel es den anderen auch auf – schon seit Tagen mit merkwürdigem Interesse betrachtet hatte. Mit dem Stein zerschmetterte er die Scheibe der Fond-Tür, stieß seine Hand nach innen, zog den Verschlussknopf und riss die Tür auf.
    Der Insasse verkroch sich offenbar tief im Auto, und Herr Paulsen versuchte ihn herauszuzerren. In der Zwischenzeit

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