Siras Toten-Zauber
vorweg. Hast du Mandra Korab erreichen können?«
»Ja. Mit Ach und Krach.« Suko streckte seine Beine aus. »Ich habe ihm nur erklären können, daß wir nach Indien fliegen und gab dabei Bombay als Ziel an. Richtig?«
»Genau.«
»Über den Grund der Reise konnte ich ihn kaum informieren und bekam soeben noch das Wort Palmbibliothek heraus.«
»Wie reagierte er?«
Suko hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber sehr positiv wohl nicht. Es klang eher wie ein Schrei oder eine Warnung. Ich erklärte ihm noch, daß alles klar war, dann riß die Verbindung ab.«
»Egal, Suko. Ich hoffe nur, daß er uns in Bombay erwartet.«
»Nun zu dir.«
Mein Lächeln wirkte etwas verloren, als ich ihm antwortete, daß ich mein Schicksal kennenlernen wollte, daß einfach in dieser Palmbibliothek aufgezeichnet sein mußte.
»Und da bist du dir sicher, John?«
»Ja, sogar zweihundertprozentig. Denn in mir spüre ich den Drang, hinzufahren und nachzuforschen.«
Er hob die Schultern und spielte mit einem Bleistift. »Dagegen kann ich nichts haben. Aber was ist mit mir, einer Person, die den Drang nicht in sich spürt?«
»Du kommst trotzdem mit.«
Er lächelte. »Worauf du dich verlassen kannst, Alter. Denn einer muß ja auf dich achtgeben…«
***
Indien — Bombay!
Keine Stadt wie Kalkutta, aber auch ein Reservoir an Menschenmassen, Verkehr, Gerüchen und Staub.
Bombay liegt an der Westküste dieses gewaltigen Subkontinents und kam in den Genuß der Winde, die hin und wieder das Gemisch durcheinanderquirlten und die Menschen aufatmen ließen. Zu den gewaltigen und unvergeßlichen Eindrücken der Stadt gehört auch der Flughafen, den der Reisende beim Anflug unter sich sieht. Ein riesiges Areal, der größte Indiens, der alles schluckte. Touristen ebenso wie Geschäftsleute, Europäer, Asiaten, Afrikaner — ein Wirrwarr aus Mensch und Technik.
Hier fiel man nicht auf. Zuviel Gedränge herrschte in den Hallen, zu viele Sprachen wirbelten durcheinander, und alles war begraben unter einer feuchten Glocke aus Hitze, Staub und Bakterien.
Geheimnisvolles, großes Indien. Hier trafen sich die Gegenwart und die Vergangenheit. Genauso sahen auch die Menschen aus. Sehr konservative Inder mischten sich in die Pulks der europäischen Geschäftsleute, die in diesem Billiglohnland ihre Waren bestellten. Hinzu kamen die Bettler vor dem Airport, die Polizisten, die Zöllner, auch die Händler und letztendlich die zahlreichen Taxifahrer mit ihren kaum fahrtüchtigen Wagen, die darauf lauerten, Touristen in den Moloch Bombay hineinzuschaffen.
Es gab Menschen, die das wenig störte, die es so einfach hinnahmen und sich nicht darüber aufregten, weil es ohnehin keinen Sinn hatte. Zu diesem Personenkreis gehörte auch ein hochgewachsener Inder, der schon allein wegen seiner Größe auffiel. Doch nicht nur wegen ihr allein. Er war zudem ein Mann, der wie eine Statue wirkte, eine Bilderbuch-Inder, obwohl er europäische Kleidung trug - bis auf einen weißen, kunstvoll geschlungenen Turban. Er deutete darauf hin, daß dieser Mensch nicht zu denen gehörte, die sich durch andere unterkriegen ließen. In ihm steckte das Wissen der alten Rasse. Er stammte, wenn man es genau nahm, aus edlem Geblüt und konnte allein durch seinen Blick andere zum Schweigen bringen.
Natürlich verteilten sich auch Parkplätze um den Flughafen. Der Mann mit dem Turban stellte seinen Wagen aber nicht auf einem dieser Plätze ab, sondern ließ ihn dort zurück, wo die großen Leihwagenfirmen ihre Standplätze hatten.
Als er ausstieg, wuchs er immer mehr. Er schloß das Fahrzeug ab und schritt auf das kleine Bürogebäude zu, um dort die Formalitäten zu regeln. Ruhig wartete er im Hintergrund ab, bis er an die Reihe kam. In seinem edel geschnittenen Gesicht rührte sich nichts, aber seine Augen waren in ständiger Bewegung. Sie beobachteten alles, was sich in dem Büro abspielte, und seinen kleinen Koffer hielt er lässig in der rechten Hand, doch es würde sich keiner trauen, ihm dieses Gepäckstück zu entreißen. Geduldig erledigte er die Formalitäten und verließ den klimatisierten Anbau, um sich in den Trubel zu stürzen. Der Mann hieß Mandra Korab!
Was er war, konnte er selbst kaum definieren. Er stammte aus einem alten Maharadscha-Geschlecht, aber er lehnte die Feudalherrschaft dieser Potentaten ab. Ein hohes Vermögen war ihm durch das Erbe zugeflossen, und Mandra versuchte damit, die Not in seiner Umgebung ein wenig zu lindern. Er spendete, er baute
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