Siras Toten-Zauber
auf, er hatte Häuser errichten lassen und trug auch dazu bei, daß eine Schule entstehen konnte, die auch außerhalb des Molochs Kalkutta lag.
Das war die eine Seite, die andere in ihm gehörte zu den kämpferischen. Mandra Korab konnte man mit gutem Gewissen als einen indischen Geisterjäger bezeichnen, denn er kannte sich in der Mythologie und Mystik seines Landes ausgezeichnet aus und wußte immer, wo er die Hebel ansetzen mußte.
Er stand mit den Dämonen auf Kriegsfuß. Seine Erzfeindin war die Göttin Kali und deren Helfer, und er besaß die sieben Dolche, mit denen er ebenso gut umgehen konnte wie mit dem Schwert oder der Peitsche. Sein Blick konnte manchmal von einer nahezu hypnotischen Kraft sein, und wer diesen Menschen ansah, der spürte, daß er seinen Weg allein gehen würde.
Wer Mandra Korab zum Freund hatte, konnte sich beglückwünschen. Seine Feinde jedoch mußten sich warm anziehen, denn sie bekamen es mit einem gnadenlosen Abrechner zu tun, der das Böse ausmerzen wollte. Oft genug hatte er dagegen gekämpft, auch zusammen mit seinen Freunden aus Europa, die er nun wieder abholen wollte. Diesmal war er nicht nach London gekommen, diesmal hatte es sie nach Asien verschlagen.
Krach und Hitze empfingen ihn, als er das Gebäude verlassen hatte. Hier starteten und landeten die Maschinen pausenlos. Dazwischen klangen grell die Hupen der Taxis und der Sprachenwirrwarr zahlreicher Menschen, ob sie nun am Airport zu tun hatten oder nicht. Viele zog es auch nur hin, um zu schauen.
Besonders die Bettler, die sich auf Touristen stürzten, wobei die Menschen dieser Tatsache zumeist hilflos gegenüberstanden und nicht wußten, ob sie ihnen etwas geben sollten oder nicht. Mandra Korab ließ sich Zeit. Er wußte nicht, ob die Maschine aus London pünktlich war. Es gab zwei Alternativen, er mußte raten, in welche Maschine seine Freunde saßen, denn eine zweite Verbindung hatte nicht mehr geklappt.
Der Himmel zeigte sich in einer blassen Bläue. Doch über der Stadt Bombay hing die Staubwolke wie festgeleimt. Ein gelblicher, zitternder Wirrwarr, zum Glück nicht so schlimm wie in Kalkutta, wo noch der Leichengestank der verbrannten Toten am Ufer des Ganges hinzukam. Mandra ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und kümmerte sich nicht um schimpfende oder stöhnende Touristen, die schon bei der Ankunft ihren Indien-Urlaub verfluchten. Sein Ziel war der Schalter der Fluggesellschaft British Airways. Auch hier mußte Mandra warten, bevor er eine genervte Angestellte fragen konnte.
»Es geht mir um die Maschine aus London. Wird sie pünktlich landen?«
»Moment bitte.« Die Frau telefonierte, hörte zu und nickte einige Male, bevor sie auflegte. »Sie wird ein wenig Verspätung haben.«
»Können Sie da genauer werden?«
Die Angestellte mit den blonden Haaren verdrehte die Augen. »Meine Güte, ich weiß es auch nicht.«
»Danke.« Mandra lächelte, was die Dame irritierte. »Sie waren sehr freundlich.« Daß die Frau einen roten Kopf bekam, sah Mandra nicht mehr. Er hatte sich abgewendet, um sich die Wartezeit an einem der Getränkestände zu verkürzen.
Es gibt Menschen, den meisten ergeht es so, die der Flughafen-Wirrwarr müde macht. Mandra Korab gehört nicht zu den Leuten. Von Natur aus war er sehr wachsam, schließlich wußte er um seine zahlreichen Feinde, und er hatte bereits Nachforschungen angestellt, was Johns und Sukos Problem anging.
Von dieser geheimnisvollen Palmblattbibliothek wußten nicht sehr viele Personen. Diejenigen, die eingeweiht waren, hielten meist den Mund, aber Mandra kannte einen Mann, der zwar nicht direkt in die Geheimnisse eingeweiht war, aber in Bangalore wohnte und Bescheid wissen mußte. Mit ihm hatte er telefoniert.
Dieser Mann war ihm eine kleine Gefälligkeit schuldig. Daß er sich verstockt gezeigt hatte, wunderte Mandra nicht nur, es hatte ihn zugleich mißtrauisch gemacht.
Sein Informant hatte nicht reden wollen und sich nur auf Drängen zu einer bestimmten Aussage entschlossen. Die allerdings war einer Warnung gleichgekommen, denn er hatte Mandra geraten, keine schlafenden Hunde zu wecken.
Natürlich wollte Mandra die Gründe wissen, doch sein Informant hielt den Mund, bis auf einen Schlußsatz, der den Inder hatte aufhorchen lassen.
»Weck den Totenzauber nicht!«
An diese Warnung mußte Mandra Korab denken, als er auf einem der Hocker seinen Platz fand und sich einen alkoholfreien Drink bestellte. Aus Früchtesirup und Mineralwasser war er hergestellt
Weitere Kostenlose Bücher