Siren of the Seas 01 - Meer der Sehnsucht
nicht daran.
Allein der Wunsch, Ambrosia hier und jetzt zu nehmen, erfüllte sein Denken und sein Fühlen.
Trotz der frischen Brise, die vom Meer her wehte, verspürten sie keinerlei Kälte. Vielmehr schienen sie von glühender Hitze umgeben zu sein.
Schließlich lösten sie sich voneinander. Ihre Blicke waren verschleiert, als wären sie soeben erst aus tiefem Schlaf erwacht. Sie schauten einander verwundert an.
Ambrosia versuchte, zur Ruhe zu kommen und wieder normal zu atmen. Doch das fiel ihr schwer. Scham erfüllte sie, als sie daran dachte, was sie getan hatte. Diese leidenschaftliche Begegnung war nicht gegen ihren Willen geschehen, o nein! Ganz im Gegenteil.
Unvermittelt verspürte Ambrosia den heftigen Wunsch, Riordan zu zeigen, dass sie dem, was zwischen ihnen geschehen war, nicht die geringste Bedeutung beimaß. „Wenn ich aus dem Pfarrhaus zurückkehre, möchte ich, dass wir uns im Arbeitszimmer meines Vaters treffen. Und denk daran, deine Waffe mitzubringen." Ihre Stimme klang ein wenig heiser, doch die Worte trafen Riordan trotzdem wie kleine Pfeile.
„Ambrosia, bitte! Bei allem, was dir heilig ist: Lass von die sem Unterfangen ab!"
„Niemals!" Ambrosia lief, so schnell sie konnte, davon.
Riordan schaute ihr ungläubig hinterher. Seine Gedanken waren so düster wie der Himmel über ihm. Dieses widerspens tige kleine Frauenzimmer hatte eine Lektion verdient. Zwar widerstrebte es ihm, ihr eine Verletzung zuzufügen, doch er musste ihr gerade so wehtun, dass sie endlich Vernunft annahm. Es war einfach blanker Unsinn und völlig unmöglich, dass sie dabei war, wenn Schiffe gekapert wurden. Noch unvorstellbarer war der Gedanke, Ambrosia könnte Seite an Seite mit hartgesottenen Seeleuten kämpfen.
Riordan hielt sich im Garten von MaryCastle auf, als die Kutsche mit Ambrosia und ihren Schwestern vom Pfarrhaus zurückkehrte. Von ihrer Gesichtsfarbe und dem angestrengten Ausdruck auf den Gesichtern konnte er unschwer erkennen, dass der Besuch beim Pfarrer sehr gefühlsbetont und eine große seelische Belastung gewesen war.
Newton half den drei Lambert-Damen aus der Kutsche, bevor er das Gespann zu den Stallungen lenkte. Ambrosia blieb kurz stehen und warf einen Blick zu der großen, kräftigen Gestalt im Garten. Als sie merkte, dass Riordan sie beobachtete, hielt sie den Kopf noch ein bisschen höher, reckte kaum merklich das Kinn ein wenig vor und griff nach den Händen ihrer Schwestern. Gemeinsam machten sich die drei auf den Weg ins Innere des Gebäudes.
Riordan wartete, um Ambrosia Gelegenheit zu geben, den Tee zu trinken, den Mistress Coffey zweifellos vorbereitet hatte. Er wusste, dass nicht nur der Großvater, sondern auch die Haushälterin und die alte Kinderfrau sehnsüchtig auf die Rückkehr der drei Mädchen gewartet hatten. Sie wollten mit Sicherheit jede einzelne, noch so winzige Kleinigkeit über den Gottesdienst hören, der für Vater und Sohn geplant war.
Eine Stunde später schließlich machte sich Riordan auf den Weg zu John Lamberts Arbeitszimmer. Er hoffte noch immer, auch wenn es für diese Hoffnung keine Chance auf Erfüllung mehr gab, dass Ambrosia das Irrwitzige ihres Plans erkannt und sich bei ihm für ihr unvernünftiges Verhalten entschuldigen würde.
Als er den Raum betrat, sah er sie nachdenklich in die Flammen des Kaminfeuers blicken.
Wortlos beobachtete er, wie sie zur Tür ging, sich davon überzeugte, dass sie geschlossen war, und den Riegel vorlegte.
„Nanu, Ambrosia", sagte er, „was ist los? Hast du etwa Angst, du könntest doch noch deine Meinung ändern und davonlaufen?"
„Ich wollte nur sicherstellen, dass niemand das Geräusch sich kreuzender Schwerter hört und herbeieilt, um nach dem Rechten zu sehen."
„Wenn du glaubst, es handele sich hierbei um so etwas wie ein Spiel, so befindest du dich in einem tragischen Irrtum", erklärte Riordan und zog sein Schwert aus der Scheide. „Es gibt nur einen einzigen Grund, aus dem man eine Waffe in die Hand nimmt" Er machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor er fortfuhr: „Um sie gegen einen anderen Menschen zu benutzen. Verstehst du das?"
„Ja." Ambrosia wischte sich die Hände an ihrem Rock ab und hob ihr eigenes Schwert hoch. Ruhig schaute sie Riordan an.
Er wollte noch immer nicht glauben, dass Ambrosia es ernst meinte. Er sah sie an, wie sie groß, schlank und anmutig mit ihrem perfekt frisierten Haar und in dem bescheidenen, wenn-gleich der Mode entsprechendem Kleid vor ihm stand.
Doch er hatte
Weitere Kostenlose Bücher