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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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interessieren sich dafür. Vor allem nicht in unserem Alter.« Dies war auch einer der Gründe, weshalb es ihr so schwerfiel, mit den anderen Mädchen ihrer New Yorker Highschool ins Gespräch zu kommen. Keine von ihnen teilte ihre Interessen. Ehrlich gesagt, schienen sich die meisten von ihnen für gar nichts zu interessieren.
    Asia sah aus, als nähme sie Zoes Kommentar ganz in sich auf. »Das ist wahr. Ich glaube, nicht jeder mag jede Kunst. Doch jeder mag irgendeine Art von Kunst – Tanz, Musik, Filme …«
    »Dann habe ich wohl eher die visuelle Kunst gemeint.«
    Asia lächelte und Zoe betrachtete ihr Gesicht. Sie hat wirklich eine ganz besondere Ausstrahlung, so viel ist sicher, dachte Zoe. Nicht bloß, weil Asia sich ihrer aufgebrachten Kundin angenommen hatte. Es lag einfach etwas in ihrer Stimme, in ihren weich fließenden Bewegungen, das die Menschen um sie herum zur Ruhe brachte. Zoe hatte das unerklärliche Gefühl, Asia von irgendwoher zu kennen. Gleichzeitig jedoch wirkte sie ein wenig reserviert. Zoe spürte eine Kälte von ihr ausgehen wie Dampf von einem Trockeneisbehälter.
    »Denkst du dabei an eine bestimmte Art visueller Kunst?«, fragte Asia.
    »Im Miller findet gerade eine Ausstellung statt«, sagte Zoe. Das Miller war eine winzige Galerie im Ort, in der es häufig bemerkenswerte Werke zu bestaunen gab. Dort wurden die Werke einheimischer Künstler, die – hier draußen – als weltbekannt galten, ausgestellt. Die Liste der Künstlergestirne, deren strahlende Karrieren an diesem Ort ihren Anfang genommen hatten, schien hell genug, um die Ostküste zu erleuchten. »Die Ausstellung trägt den Titel ›Schönheit der Meere‹. Sie ist der Wahnsinn. Ich war neulich dort. Du solltest dir das echt mal anschauen.«
    »Vielleicht werde ich das«, sagte Asia. Sie ging an Zoe vorbei, um von Angel einen Teller entgegenzunehmen und ihre körperliche Präsenz jagte Zoe einen Schauer den Rücken hinunter.
    Sie hat definitiv etwas Kaltes an sich, stellte Zoe fest. Kalt wie der Meeresgrund.

Kapitel 5
    Aus der Shelter Bay Gazette
    Junge bricht in Kirche ein
     
    Einem Jungen aus dem Ort wird vorgeworfen, gestern in die First Church auf der Dune Avenue eingebrochen zu sein. »Ich habe keine Ahnung, wie er überhaupt dort hineingekommen ist«, berichtete Marion Wheeler vom Kirchenvorstand. »Er hat jedoch nichts kaputt gemacht. Ich war gerade joggen, als ich aus der Kirche Musik hörte.« Wie Zeugen berichten, stieg Kirk Worstler, 15, zur Empore hinauf, um dort auf der Kirchenorgel zu spielen.
    »Ich wusste noch nicht einmal, dass er Orgel spielen kann«, sagte Adelaide Worstler, Kirks ältere Schwester. »Aber er schien sehr genau zu wissen, was er tat. Ich musste ihn regelrecht von dort wegzerren.«
     
    »Hör auf, unsere Verkaufsware zu essen«, wies Will Zoe an, die sich soeben eine Brombeere in den Mund gesteckt hatte. Will pulte die dicken Bohnen aus der Hülse und ließ sie mit einem sanften pling-pling-pling in eine Aluminiumschüssel fallen. Gepulte Bohnen brachten mehr Geld ein. Dasselbe galt für gewaschenen Gartensalat anstelle des ungewaschenen, der direkt vom Feld kam. Und diese ganzen Vorbereitungen sind was für Tagelöhner wie mich, dachte Will.
    »Wieso, die wollte ich doch bezahlen«, meinte Zoe und nahm sich noch eine Brombeere aus der saftbefleckten Pappschachtel. Sie grinste schelmisch. Der Beerensaft hatte ihre Zahnzwischenräume dunkelviolett verfärbt. Ein Windstoß fuhr ihr durch ihre ohnehin zerzauste, wilde Mähne und einen Moment lang sah Will in ihr wieder die sechsjährige Zoe von früher.
    »Wann hast du zum letzten Mal etwas von diesem Stand bezahlt?«, wollte er wissen.
    »Es ist doch nicht meine Schuld, dass dein Vater kein Geld von uns haben will.« Sie nahm sich eine große Packung voller gelber Cherrytomaten und stellte sie neben die Brombeeren in einen flachen Pappkarton. »Die hier sind wirklich zuckersüß«, sagte sie und steckte sich eine Tomate in den Mund.
    »Die mag ich am allerliebsten.« Die goldgelben Früchte reiften heran, bis sie rund und süß waren, so als saugten sie sich voll mit dem lieblichen Aroma der Sonne. Von den heftigen Regenfällen waren einige aufgeplatzt und hatten mit ihrem Duft die Fruchtfliegen angelockt. Will war klar, dass sie bald verkauft werden mussten.
    Zoe beugte sich hinab, um Guernsey zu streicheln. Wills alte schwarze Labradorhündin hatte sich an ihrem Stammplatz zusammengerollt: unter der Holztheke, auf der die Registrierkasse,

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