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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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du ihm auch so eine Flöte verkauft hast.«
    Asia ließ sich auf dem Sitz gegenüber von Will nieder. Vorsichtig nahm sie ihm die Flöte aus der Hand und betrachtete das Instrument. »Die sieht wirklich fast genauso aus wie meine«, sagte sie dann.
    Sie saßen so nah beieinander, dass Will fast ihren Atem auf der Haut spüren konnte. Er fühlte sich ganz benommen von ihrer samtig-weichen Stimme. Man wollte sich einfach hineinschmiegen. »Ich bin da auch kein Fachmann …« Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu.
    »Wir sind ja hier auch nicht in einer Quizsendung zum Thema Antiquitäten«, sagte Will. »Sag mir einfach alles, was du darüber weißt. Diese Flöte ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.« Er lehnte sich vor und tat so, als wolle er das Instrument eingehender betrachten. In Wirklichkeit jedoch wollte er einfach nur diesem wundervollen Mädchen etwas näher kommen.
    »Also … wenn man’s ganz genau nimmt, ist das nicht einfach eine Flöte, sondern eine Blockflöte. Das sieht man an diesen Löchern hier.« Mit ihren schlanken Fingern zeigte sie auf die grob geschnitzten Löcher. »Ich nehme an, diese hier stammt aus Europa. Und sie ist alt – sehr alt, möglicherweise noch älter als die, die ich hatte. Könnte um die vierhundert oder fünfhundert Jahre alt sein. Es ist ziemlich schwierig, solche Dinge korrekt zu datieren.«
    »Wie bist du eigentlich an deine Flöte gekommen?«, fragte Will.
    »Sie war ein Geschenk.«
    »Warum hast du sie dann verkauft?«
    »Ich hatte keine Verwendung mehr dafür.« Asias Augen verengten sich zu Schlitzen, als hätte Will sich mit seinen Fragen auf ein gefährliches Terrain begeben. »Reden wir jetzt hier über meine oder deine Flöte?«
    »Tut mir leid. Über meine. Aus welchem Holz ist sie gefertigt?«, fragte Will.
    Asia sah ihm in die Augen. »Es ist kein Holz«, sagte sie. »Sondern Knochen.«
    Ihm wurde eiskalt, als sei die Temperatur im Restaurant urplötzlich um zehn Grad gefallen.
    »Asia!«, brüllte Angel aus der Küche herüber. »Ich bezahl dich hier nicht fürs Herumsitzen!«
    »Ach, werden wir etwa hier bezahlt?«, meldete sich das Punk-Mädel zu Wort. Die älteren Damen kicherten.
    »Ich werde mal besser deine Cola holen«, sagte Asia, legte die Flöte behutsam auf dem Stoffbeutel ab und stand auf. »Ich bin gleich zurück.«
    Will nickte nur und fühlte sich noch immer leicht benommen. Er war so überwältigt von der Schönheit des Mädchens und der Weichheit ihrer Stimme, dass er völlig vergessen hatte, sie zu fragen, wer ihr die Flöte geschenkt hatte. Oder aus welchem Grund sie – wenn überhaupt – ins Meer gelaufen war. Wenn sie zurückkommt, kann ich ja nachhaken, dachte Will. Doch anstelle von Asia war es die Punk-Kellnerin, die ihm etwas später seine Cola brachte.
    »Macht Asia gerade Pause?«, fragte Will.
    Die Kellnerin warf ihm einen Blick zu, der vermuten ließ, dass er nicht der erste Mann war, der nach Asia fragte. »Ja, ja«, antwortete sie gleichermaßen wachsam und gelangweilt.
    Will trank seine Cola aus und sah auf die Uhr. Er musste zum Verkaufsstand – seine Schicht fing gleich an. Schließlich hatte er nicht ewig Zeit, um auf Asia zu warten.
    Jetzt, da er sie gefunden hatte, wusste er ja, wo er sie antreffen konnte. Wenigstens existierte sie wirklich.
    Eigentlich hätte ihn dieser Gedanke beruhigen sollen.
     
    »Hey, Schätzchen, die alte Lady da drüben in der Ecke schnippt schon die ganze Zeit wie verrückt in deine Richtung.« Die schwarz geschminkten Lippen geschürzt, balancierte Lisette auf beiden Händen die vollen Teller für Tisch vier und nickte nur grob in die Richtung, in der Zoes Kundin saß. Sie war zwar erst Mitte zwanzig, redete aber wie jemand aus den Sechzigerjahren. Sie hatte braune Augen, die sie dunkelblau schminkte, und trug eine Hornbrille. Ihr Haar war leuchtend rot, wie das von Pippi Langstrumpf, und heute trug sie es wie eine kleine Fontäne mitten auf ihrem Kopf. Sie arbeitete seit drei Jahren im Bella’s und hatte bereits ihre Stammkunden, beispielsweise die Versicherungstypen an Tisch vier. »Diese alte Hexe kenne ich. Besser du gehst schnell zu ihr, Schätzchen, sonst verwandelt sie dich noch in eine Kröte.«
    »Lisette, wirst du dafür bezahlt, dass du mit Zoe quatschst?« Angel O’Rourke – Manager des Bella’s und zudem für die Küche zuständig – blickte mürrisch drein, wobei sein karottenfarbener Schnauzer vor Unmut zuckte. Zoe fand, dass er aussah wie eine irisch-dominikanische

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