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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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fiel ein Stein vom Herzen. Sie wollte nicht über Tim sprechen. Nicht jetzt.
    Mrs Archer stand auf und ging hinüber zum Waschbecken, wo sie vorsichtig ihre Tasse abstellte. »Will, vielleicht solltest du Zoe jetzt mal nach Hause bringen«, sagte sie mit dem Rücken zu ihrem Sohn.
    »Bist du so weit?«, fragte er seine Freundin.
    »Sicher.« Sie reichte Mrs Archer die Tasse. »Danke für den Tee.«
    Wills Mutter nickte, doch ihr eindringlicher Blick passte so gar nicht zu Zoes arglosen Worten.
    Will hatte von alldem nichts mitbekommen. Er hielt Zoe die Tür auf und wartete, bis sie draußen war.
    Als sie über die Wiese bis zu ihrem Haus liefen, grübelte Zoe die ganze Zeit nach, was Mrs Archer wohl hatte sagen wollen. Sie wusste Bescheid wegen Tim. Doch was genau mochte er ihr erzählt haben? Jedenfalls nicht die ganze Geschichte. Das war undenkbar.
    Am Tag, als er starb, hatte Tim Zoe ein Geständnis gemacht. Sie war am Ufer der kleinen Bucht spazieren gegangen. Tim hatte sie von seinem Zimmerfenster aus gesehen und sich zu ihr gesellt. Er blickte todernst drein und wirkte unglücklich. Und dann gestand er ihr, dass er sie liebte.
    »Tim«, setzte sie an, doch er legte ihr nur den Finger auf die Lippen.
    »Ich weiß schon«, sagte er und sah sie mit seinen großen braunen Augen an. »Es ist wegen Will, oder?«
    Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, doch sie brachte keinen Ton heraus.
    »Weiß er es?«, fragte Tim.
    Zoe schüttelte nur den Kopf.
    Tim zog sie an sich und ihre Tränen auf seinem T-Shirt störten ihn ebenso wenig wie ihre laufende Nase. »Dann solltest du es ihm sagen«, flüsterte er ihr ins Haar.
    Aber sie brachte es einfach nicht fertig. Es war ihr zu riskant. Ganz gleich, ob er ihre Gefühle erwiderte oder nicht, in dem Moment, wo sie es ihm sagte, würde nichts mehr sein wie vorher. Dafür war Zoe nicht bereit. Und dann war Tim gestorben und Zoe war sich nicht mehr sicher, ob sie sich jemals trauen würde, Will ihre wahren Gefühle zu offenbaren.
    »Soll ich mit reinkommen?«, fragte Will, als sie an der Tür angekommen waren. Sie war nicht abgeschlossen, wie immer. Hier in der Gegend schloss niemand seine Tür ab.
    »Es geht schon«, erwiderte Zoe. Sie wollte ihn umarmen, doch mit einem Mal fühlte sie sich ganz verletzbar. »Gute Nacht.«
    »Schlaf gut«, sagte Will. »Hoffentlich wirkt der Tee.«
    Zoe lächelte schwach, dann drehte sie sich um und betrat die dunkle Diele. Sie dachte über ihren Traum nach und darüber, wie Will die Klippe hinuntergestürzt, jedoch ein ganzes Stück weiter am Strand aufgekommen war … Ihr schwirrte der Kopf von all den unbeantworteten Fragen.

Kapitel 7
    Felsenfrauen (Volkslied)
     
    Es rufen die Frauen, die Frauen zur See,
    Die Lippen blutrot, die Haut weiß wie Schnee,
    Und Stimmen wie Engel, liebreizend und weich.
    Berühr’n sie dich, brennst du, musst sterben sogleich.
     
    Zoe streckte einen Zeh in das kristallklare Wasser. »Das ist ja ganz warm«, sagte sie erstaunt.
    »Wird beheizt«, erklärte Jason und zog sich das dunkelblaue T-Shirt über den Kopf. Drei kurze Schritte, und schon war er in der Luft, die Beine angewinkelt. Zoe kreischte, als er mit einem lauten Klatsch auf der Wasseroberfläche aufkam und sie von oben bis unten nass spritzte. »Spinner!«, rief sie in gespielter Empörung, als Jason vor ihr auftauchte und mit einem wilden Kopfschütteln eine Wasserfontäne auf sie niederregnen ließ.
    Der Gärtner, der gerade dabei war, die Hecken zu schneiden, blickte zu ihnen herüber und machte sich dann rasch wieder an die Arbeit. Er stammte von den Philippinen und war gemeinsam mit zwei weiteren Gärtnern emsig damit beschäftigt, überall auf dem Anwesen das Unkraut zu jäten, Mulch auf den Beeten zu verteilen und sämtliche Büsche zu beschneiden. In diesem Jahr hatte Jasons Mutter ein anderes Haus angemietet als sonst und der dazugehörige Garten war sehr ursprünglich gehalten und vor Blicken von außen geschützt. In der Gartenmitte stand ein alter Apfelbaum, in dessen Halbschatten jede Menge grüne und weiße Funkien blühten. Das gesamte Gartengrundstück war von hohen Buchsbäumen umgeben und mit lavendelblauen Hortensien bepflanzt. Der mit Naturstein umrahmte Swimmingpool befand sich unmittelbar neben dem Haus, ebenso wie ein hübsches schmiedeeisernes Tischchen mit vier Stühlen und einem Sonnenschirm. Zoe malte sich aus, wie es wohl wäre, nach einer morgendlichen Schwimmrunde am Pool einen Espresso zu trinken.

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