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Sirenenfluch

Sirenenfluch

Titel: Sirenenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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ein kleines verängstigtes Mädchen. »Wo seid ihr gewesen?«, fragte er.
    Erst jetzt schien Mrs Archer Zoe zu bemerken. Sie errötete und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
    Vor Wut bekam Will noch immer keinen Ton heraus, dafür ergriff Zoe das Wort. »Ich bin wieder geschlafwandelt. Will hat mich gesehen. Er …« Sie sah zu ihm auf und drückte wieder seine Hand. »Ich bin auf die Klippe zugelaufen. Ich war schon beinahe am Abgrund.«
    Mrs Archer sog scharf die Luft ein und nahm Zoes Hand in die ihre. »Grundgütiger, Mädchen!«
    »Will hat mich von seinem Fenster aus gesehen. Er ist mir hinterhergelaufen«, erklärte Zoe. Sie schien zu frösteln.
    Mrs Archers Blick fiel auf ihren Sohn und die blutige Kratzspur in seinem Gesicht.
    Mr Archer nickte nur. »So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Jetzt steh doch nicht bloß hier herum, Evelyn, sondern mach dem Mädchen mal einen Tee.«
    »Ach nein, das ist wirklich nicht nötig«, wandte Zoe ein, doch Mrs Archer war bereits zum Herd geeilt und füllte den Wasserkessel auf.
    Mr Archer rückte Zoe einen Stuhl zurecht, auf den sie sich dankbar sinken ließ. Guernsey kam zu ihr geschlurft und legte sich zu ihren Füßen nieder. Will blieb weiterhin stehen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er halbnackt war, und er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Oberkörper- und Armmuskeln waren von der Arbeit im Freien braun gebrannt. Seltsam, dass es ihm überhaupt nichts ausmachte, im Sommer draußen mit freiem Oberkörper herumzulaufen. Hier jedoch, in der Intimität der Küche, mit Zoe und seinen Eltern, kam er sich so bloßgestellt vor.
    »Passiert dir so etwas oft?«, fragte Will.
    »In letzter Zeit schon«, gab Zoe zu.
    »Du solltest vor dem Zubettgehen immer eine warme Milch trinken«, lautete Mrs Archers Rat, die gerade einen Teebeutel in eine große weiße Tasse gab und mit kochendem Wasser aufgoss. »Oder einen Kamillentee. Nichts kann den Geist so zur Ruhe bringen.« Sie stellte die Tasse vor Zoe auf den Tisch.
    »Das habe ich doch versucht«, sagte Zoe. »Ich habe schon alles Mögliche ausprobiert – Yoga, Meditation, Tees, was auch immer. Nichts wirkt. Noch nicht einmal Schlaftabletten.« Sie schüttelte ratlos den Kopf und pustete sanft auf den heißen Tee, jedoch ohne die Tasse anzurühren.
    »Vielleicht wäre es besser, wenn du dich in dein Zimmer einschließen würdest«, schlug Will vor.
    Zoe sah zu ihm hoch und der Ausdruck auf ihrem Gesicht verriet, dass seine Bemerkung sie verletzt hatte. Will zuckte zusammen. Seine Worte hatten sich sarkastisch angehört, obwohl er es überhaupt nicht so gemeint hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte Zoe kleinlaut.
    »So habe ich das doch gar nicht –«
    »Will, du siehst wirklich verboten aus«, schaltete sich Mr Archer ein. »Was hältst du davon, wenn du jetzt erst mal hochgehst und dich wäschst und dir dann etwas ohne Grasflecken anziehst?«
    Will nickte, froh darüber, sich für ein paar Minuten zurückziehen zu können. »Okay, mach ich.«
     
    Sobald Wills Schritte auf der Treppe zu hören waren, zog Mr Archer sich ins Wohnzimmer zurück. Für einen kurzen Moment war Guernseys sanftes Schnarchen das einzige Geräusch in der Küche. Dann ein Knarzen und Ächzen, als Mrs Archer auf dem Stuhl neben Zoe Platz nahm. Laut schlürfend begann sie ihren Tee zu trinken.
    »Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist«, sagte sie über ihre Teetasse hinweg.
    »Das habe ich nur Will zu verdanken«, sagte Zoe.
    Mrs Archer sah auf. »Ja.« Sie räusperte sich. »Nun.« Sie runzelte die Stirn und zuckte dann mit den Schultern. »Ich weiß einfach nicht, was ich täte, wenn dir etwas zustoßen würde. Du bist für mich wie eine Tochter, weißt du.«
    Zoe zog überrascht die Augenbrauen hoch. Was sollte das denn jetzt? Wills Mutter neigte eigentlich nicht dazu, so offen ihre Gefühle zu zeigen.
    Mrs Archer legte ihre Hand auf die von Zoes. Dann beugte sie sich so weit nach vorn, dass Zoe ihren Atem spüren konnte. Er roch nach Zahnpasta und Minze und außerdem leicht süßlich nach Kamille. »Ich weiß wegen Tim Bescheid«, flüsterte sie ihr eindringlich zu. »Ich weiß, wie viel …«
    Entsetzt zog Zoe ihre Hand weg, doch just in diesem Moment kam Will in Shorts und T-Shirt die Treppe herunter. Er hatte sich das Blut vom Gesicht abgewaschen, sodass lediglich noch ein Kratzer auf seiner linken Wange zu sehen war. Kleiner als die Narbe auf der rechten Seite, allerdings genau symmetrisch dazu. Zoe

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