Sirenenfluch
können. Oder wenn sie geschlafwandelt war. Dann schwirrte ihr am nächsten Morgen der Kopf und ihr ganzer Körper fühlte sich kraftlos an, wie eine welke Blume, die dringend gegossen werden müsste.
Bananas, ihre Katze, kam in die Küche getigert. Sie rieb sich erst am Tischbein, dann an Zoe.
»Du liebst mich also genauso sehr wie den Tisch?«, fragte Zoe und beugte sich hinab, um Bananas hinter den Ohren zu kraulen. »Hm? So sehr?«
Bananas’ Augen waren zu Schlitzen verengt. Mit einem Satz sprang sie auf Zoes Schoß, schnurrte genüsslich und streckte ihrem Frauchen den Kopf entgegen.
»Ach, doch mehr als den Tisch?«
Es klopfte laut an der Tür und die Katze sprang aufgeschreckt von Zoes Schoß, wobei sich ihre ausgefahrenen Krallen in deren Beine gruben. Sie landete sanft auf dem Boden und nahm schleunigst Reißaus.
»Autsch.« Zoe hielt vor Schmerz die Luft an und begutachtete den langen, dicken Kratzer, den das Tier auf der Innenseite ihrer Oberschenkel hinterlassen hatte.
»Tut mir leid.« Wills Silhouette zeichnete sich nur undeutlich durch die Verandatür ab. Zoe winkte ihn herein.
»Sie weiß einfach nicht, wohin mit ihren Kräften.«
»Tut es sehr weh?« Will streckte eine Hand nach Zoes Bein aus, doch sie zog rasch ihre kurze Pyjamahose über den Kratzer und schlug die Beine übereinander. Will lief rot an. Peinlich berührt sah er auf seine Hände herab, offenbar erleichtert, etwas zu haben, an dem er sich festhalten konnte. »Ich, äh, ich habe dir die Zeitung von draußen mitgebracht.« Er ließ sie vor sich auf den Tisch fallen.
»Was ist denn überhaupt los? Was führt dich so früh schon zu mir?«
»Ich weiß ja, dass du immer sehr früh aufstehst.«
»Das heißt ja wohl nicht, dass ich dann auch schon Besucher empfange. Schließlich habe ich noch meinen Pyjama an, oder?«
Will entfuhr ein Seufzer. »Gegen dich hat man keine Chance.«
»Sag das mal meinem Dad. Also, was gibt’s?«
Will schüttelte den Kopf. »Wenn ich das nur wüsste.« Seine Augen wurden schmal, als er sie forschend ansah. »Hast du mit Jason Schluss gemacht?«
Zoe wurde heiß und kalt. »Was? Wieso?«
»Na ja … ich hab da so was gehört.«
»Du hast da so was gehört? Von wem denn? Etwa von Asia?«
Will zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Du hast mit Asia darüber geredet?«
»Natürlich. Wir arbeiten schließlich zusammen. Und sie war dabei, als Jason reinkam. Und als er wieder ging.« Zoe hob fragend die Schultern hoch. »Woher weißt du davon?«
»Was weißt du eigentlich über Asia?«
»Nicht besonders viel.«
»Das heißt …?«
Zoe musste kurz überlegen, in ihrem Kopf schwirrten die Gedanken unkontrolliert umher. Wusste sie eigentlich irgendetwas über ihre Kollegin? Auf der Arbeit war es fast immer Asia, die die Fragen stellte. Im Grunde gab sie von sich selbst so gut wie nichts preis. Zoe blickte Will forschend ins Gesicht. »Weshalb interessierst du dich so für Asia?«
Will seufzte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Sein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. Zehn Sekunden vergingen tickend. »Sie ist irgendwie … wie soll ich sagen, irgendwie so merkwürdig.«
Vorsichtig meinte Zoe: »Ich glaube, sie ist nur ein wenig schüchtern.«
»Schüchtern? Das nun nicht gerade.«
»Sie redet nicht sehr viel.«
»Das ist doch nicht das Gleiche, wie wenn man schüchtern ist.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, worauf du hinauswillst.«
Der scharfe Unterton in ihrer Stimme war auch Zoe selbst aufgefallen. Sie trank noch einen Schluck Kaffee, um sich zu beruhigen. Ihre Hände umschlossen den Becher. Sie war selbst von der Heftigkeit ihrer Gefühle überrascht. Sie wehrte sich innerlich gegen diese Unterhaltung. Sie wollte auch nicht, dass Will all diese Fragen über Asia stellte. Und außerdem hatte sie ihre eigenen Fragen. Wie hatte Asia Jason so jäh stoppen können? Es war, als ob von ihren Worten – oder von ihrer Stimme? – eine gewaltige Kraft ausgegangen war.
Zoe betrachtete mit vorgetäuschtem Interesse den Stapel Post vor sich auf dem Tisch. Sie spürte Wills Blicke auf sich.
»Also gut«, sagte er schließlich.
Zoe sah die Post durch. Ihr Blick fiel auf eine Briefmarke und sie zog den entsprechenden Brief aus dem Stapel. Sie erkannte die Handschrift.
»Was hast du da?«, fragte Will.
»Nichts«, entgegnete Zoe. Ihre Blicke trafen sich. »Von meiner Mutter.«
Sie starrten beide auf den Brief, als sei er vergiftet.
»Wirst du ihn lesen?«, fragte Will.
Zoe trank
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