Sirenenfluch
entfernte sich mit schnellen Schritten vom Partytrubel. Ihr Kleid war immer noch feucht und klebte ihr am Körper, lediglich der Saum war bereits ausreichend getrocknet und schwang ihr um die Knöchel.
Will setzte sich in Bewegung, um ihr zu folgen. Seine nassen Hosenbeine klatschten beim Laufen mit einem lauten Geräusch aneinander.
Die Einfahrt, die vom Haus der Ansells wegführte, war leicht ansteigend. Will geriet außer Atem, Asia hingegen lief unbeirrt und offenbar mühelos weiter. Will hörte das Motorengeräusch eines Autos hinter sich und ließ es vorbeifahren. Asia kümmerte es nicht. Sie blickte sich weder um, noch verlangsamte sie ihren Gang, als der Wagen nun um sie herummanövrierte.
Da hörte er hinter sich noch einen Motor aufheulen und wenige Sekunden später schoss ein Auto an ihm vorbei. Ein blauer BMW. Er raste ein Stück weiter und kam dann mit einer Vollbremsung mitten auf der Brücke zum Stehen. Jason stieg aus und ging bis zum Geländer, um Asia den Weg abzuschneiden.
Will blieb wie angewurzelt stehen. Er sah, wie Jasons hünenhafte Gestalt einen Schritt auf Asia zu machte. Und wie er etwas zu ihr sagte, das Will jedoch nicht verstehen konnte. Asia öffnete den Mund, um zu antworten. »Halt’s Maul!«, herrschte er sie an, während er sie Richtung Brückengeländer drängte. »Wenn du es nicht gewesen bist, wer denn dann?«
»Hey!«, schrie Will und stürzte los.
Jason sah zu ihm herüber und guckte, als er Will erkannte, verblüfft drein. Im selben Moment vollführte Asia eine Rückwärtsdrehung, geschmeidig wie eine Katze, und verpasste Jason einen Tritt vor den Brustkorb, bevor sie mit einem Satz über das Brückengeländer sprang.
Jason stand da und griff mit beiden Armen ins Leere. Er rannte zum Geländer, doch da war Asia bereits im Wasser verschwunden.
Jason drehte sich zu Will um und blankes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Jason!«, rief Will. »Warte doch!« Aber Jason war schon in sein Auto gestiegen und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Will war ganz oben auf der Brücke angelangt. Er starrte ins Wasser unter sich. Es ging sehr, sehr weit in die Tiefe. So tief, dass wohl niemand einen Sturz von dort oben überleben würde.
Allerdings hatte Jason nicht mehr alles mitbekommen, was Will gesehen hatte. Asia war mit einem Satz über das Brückengeländer gesprungen. Dann hatte sie sich ganz lang gemacht und die Arme über ihrem Kopf ausgestreckt. Wie ein Pfeil war sie mit einem leisen, kaum hörbaren Klatschen ins Wasser eingetaucht. Eine winzige Welle war über ihren Füßen zusammengeschlagen.
Will ließ seinen Blick über das Wasser schweifen. Ein ganzes Stück weiter unten im Fluss, dort, wo er in die Bucht mündete, meinte er, einen Kopf aus dem Wasser auftauchen gesehen zu haben. Nasses Haar umgab in langen Strähnen das Gesicht, das sich jetzt noch einmal zur Brücke umblickte.
Dann tauchte es im Fluss unter und war verschwunden.
Kapitel 9
Aus der Shelter Bay Gazette
Diebstahl in Galerie Miller
Ein Gemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert ist am vergangenen Dienstag spurlos aus der Galerie Miller verschwunden. »Ich kam in den Ausstellungsraum und bemerkte sofort den leeren Platz an der Wand«, äußerte sich Galerieintendant Don Beitran gestern gegenüber unserer Zeitung. Das Gemälde ist zurzeit als Leihgabe im Rahmen der Ausstellung ›Schönheit der Meere‹ noch bis zum fünfzehnten September …
Zoe sah zu, wie die Kaffeesahne sich langsam ihren Weg bis zum Grund des Eiskaffees bahnte und dabei eine weiße Spur in der dunklen Flüssigkeit hinterließ. Dann rührte sie das kalte Getränk mit dem Strohhalm um und nahm einen kräftigen Schluck. Sie hoffte, dass es ihre Lebensgeister wiedererwecken oder wenigstens ihre Laune etwas anheben würde.
»Herzchen, anstatt dich so ausgiebig mit deinem Kaffee zu beschäftigen, solltest du lieber mal Tisch vierzehn etwas mehr Aufmerksamkeit widmen«, raunte Lisette ihr im Vorbeigehen zu, ein vollbeladenes Tablett auf den Händen balancierend.
Zoe blickte auf und bemerkte erst jetzt einen Mann, der sich mit seinen zwei Söhnen an einem ihrer Tische niedergelassen hatte. Sie nahm noch einen Schluck Eiskaffee, stellte ihn dann hinter dem Tresen ab und ging, um die neuen Gäste willkommen zu heißen. Alle drei wollten belgische Waffeln mit Erdbeeren. Mechanisch nahm sie die Bestellung auf und klebte den Zettel dann für Angel an das Board.
»Wach endlich auf, Zoe!«, fuhr Angel sie an. »Du
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