Sirenenfluch
Strähne seiner zotteligen Fünfhundert-Dollar-Frisur aus den Augen. »Ich meine, bevor die Cops hier auftauchen?«
»Will!« Zoe kam mit Angus im Schlepptau auf ihn zugerannt.
»Will – was zum Teufel?« Sie boxte ihn gegen den Oberarm, ziemlich fest. »Was sollte das denn bitte? Dieser Junkie hätte dich um ein Haar umgebracht!«
»Du kennst den Jungen doch gar nicht.« Will musste an Kirks sanftes Gesicht denken, an die Angst, die er darin hatte sehen können. »Er mag verrückt sein, aber auf Drogen ist er mit Sicherheit nicht.«
»Ich glaub’s einfach nicht!«, fuhr Zoe ihn an und marschierte durch den Sand in Richtung Parkplatz davon. Am liebsten wäre Will ihr nachgerannt, doch er war schlichtweg zu müde. Natürlich wusste er, dass sie sich einfach nur Sorgen um ihn gemacht hatte und dass sie sich beruhigen würde. Irgendwann.
Will blickte seine Freunde an. Ansell sah besorgt aus. Angus’ Blick war auf Kirk gerichtet, der sich wie ein Igel im Sand zusammengerollt hatte und unter dem Handtuch eingeschlafen war.
»Wieso ist er gesprungen?«, fragte Ansell.
»Keine Ahnung. Irgend so ein hirnverbrannter Blödsinn, was mit Seetigern.«
Angus warf ihm einen scharfen Blick zu. »Seekrieger?«
»Was? Ja, genau die. Wieso, sag bloß, die gibt es wirklich?«
Angus zuckte unwissend mit den Schultern. »Keine Ahnung. Mein Großvater hat oft von ihnen gesprochen.«
»Was sind denn das für Dinger?«
»Meerjungfrauen oder so was in der Art. Er hat mir früher ganz viele Geschichten über sie erzählt …«
»Zum Beispiel?«
Angus schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mann, das ist schon Urzeiten her. Kann aber sein, dass meine Großmutter sich noch daran erinnert.«
»Können wir morgen mal mit ihr reden?«
Will merkte, dass seine Bitte ziemlich verzweifelt geklungen haben musste, denn Angus warf ihm einen höchst besorgten Blick zu. »Klar, Mann. Wenn du willst.«
»Am besten morgens, bevor ich zur Arbeit muss.«
»Und was mache ich jetzt mit dem da?«, überlegte Ansell und sah auf den selig im Sand schlummernden Kirk hinab.
»Ruf doch seine Schwester an«, schlug Angus vor. »Die ist schon dran gewöhnt, ständig hinter ihrem Bruder herzurennen.«
»Wenn ich von alldem morgen auch nur ein Sterbenswörtchen in der Zeitung lese …«, sagte Ansell drohend.
»Dann was?«, feixte Angus. »Kaufst du dann eine für deine Eltern?«
»Bitte tu mir das nicht an.«
Angus sah ihn empört an. »Kumpel, für wen hältst du mich?«
»Danke, Mann.« Ansell lief über den Steg zurück zum Haus.
»Hast du allen Ernstes vor, auf diese Story zu verzichten?«, fragte Will, als sie nebeneinanderher zum Parkplatz gingen. Die Aussicht auf eine Fahrt auf dem Motorrad mit nassen Klamotten stimmte ihn allerdings auch nicht gerade fröhlich.
»Und ob ich da ’ne Story draus mache«, antwortete Angus und grinste. »Was glaubst du denn? Und übrigens habe ich mal Erkundungen über Du-weißt-schon-wen eingeholt.«
»Wen meinst du? Etwa Asia?«
»Bingo – ich hab einfach mal ein bisschen herumgeschnüffelt.«
»Und, was hast du dabei herausgefunden?«
»Dass sie ein rabenschwarzes Loch ist.« Behutsam schloss Angus die Tür seines alten verrosteten Fords auf. Das war eines dieser Dinge, über die sich Tim immer nur schlappgelacht hatte – dass Angus seine rostige alte Karre abschloss, während um ihn herum lauter Audis, Jaguars, Lexus’ und Porsches standen. »Alles, was ich über Asia Marin herausfinden konnte, ist, dass sie den letzten Sommer über im Bella’s gejobbt hat und in diesem Sommer wiedergekommen ist. Adresse unbekannt. Keine Telefonnummer. Keine Einträge in irgendeiner Schulakte.«
»Und was hat es mit den Joyces auf sich?« Will hatte Angus eine E-Mail mit dieser Information geschickt, nachdem er Asia gefolgt war.
»Die kommen aus der Stadt. Philip und Julia. Sie haben zwei Kinder, die beide um die dreißig sind. Allerdings keins namens Asia.«
»Tja – und was heißt das jetzt?«
Angus zuckte mit den Schultern. »Das heißt, dass sie für die Familie das Haus hütet. Dass sie hier ihre Sommer verbringt. Kein großes Geheimnis, nehme ich an.«
»Ja«, meinte Will. »Kein großes Geheimnis.« Doch die Ironie in seinen Worten war nicht zu überhören.
Angus quetschte sich in sein winziges Auto und winkte beim Davonfahren. Will wollte gerade zu seinem Motorrad gehen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Eine weiße Gestalt – Asia. Sie war am anderen Ende der Einfahrt und
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