Sirenenlied
selbst davon überzeugt, weil ihre Absichten ernsthafter Natur waren. Wenn sie diesen Kerl küsste, dann würde das etwas zu bedeuten haben, so sah das aus. Nur kam es nie auch nur ansatzweise so weit, denn Josh zog in der Regel seine unzähligen Nebenjobs und die Einsamkeit seines Hauses der weiblichen Gesellschaft vor.
»Schmecken gut, die Pfannkuchen«, ließ Josh sie nach einiger Zeit wissen, nachdem der hohe Zuckeranteil ihn besänftigt hatte. »Das mit dem Besuch ist ja eine schöne Sache, aber solltest du nicht eigentlich bei MacMillian’s im Laden stehen und den Tageseintopf verkaufen?«
»Donnerstag ist mein freier Tag. Genau wie der Freitag und gelegentlich auch der Samstag. Ist ja nicht so, als käme man in diesem Kaff vor Arbeit um«, erklärte Eileen.
Als sie aufstehen und die Kaffeekanne vom Herd holen wollte, kam Josh ihr zuvor.
»Du wirst es nicht glauben, aber ich habe doch noch einen Funken Anstand in mir. Wenn die eigenen Gäste anfangen, einen zu bedienen, sollte einen eigentlich der Blitz treffen. Das hat mir jedenfalls meine Mutter beigebracht.«
Während er sich herüberbeugte, um ihr Kaffee nachzuschenken, schnupperte Eileen an ihm, doch sie konnte nichts wahrnehmen, das nach Meer roch. Nur Seife und einen Hauch von Mann. Ob seine Haut wohl noch nach Salz schmeckt?, fragte sie sich. Ich würde zu gern einmal probieren... oder noch besser: persönlich der Grund dafür
sein, dass sie verschwitzt und salzig ist. Augenblicklich schoss ihr das Blut in ihre ohnehin stets leicht geröteten Wangen.
»Ist der Kaffee zu heiß?« Josh nahm einen prüfenden Schluck aus seiner Tasse.
Eileens Lippen bewegten sich, ohne dass sie etwas Gescheites herausbrachte. »Nein, es ist nur... ich dachte gerade... warum bist du letzte Nacht im Meer schwimmen gewesen? Das ist doch viel zu kalt.«
Für einen kurzen Moment kämpfte Josh damit, seinen Kaffee nicht quer über den Tisch zu spucken. Dann schluckte er betont langsam, legte beide Hände flach vor sich auf den Tisch und musterte Eileen eindringlich, bis sie auf dem Stuhl herumzurutschen begann.
»Mit genug Whisky im Magen kann man, so wie es aussieht, einfach alles«, sagte er schließlich mit einem Gesichtsausdruck, der Eileen wohl zu verstehen geben sollte, dass sie seine Antwort besser nicht infrage stellte.
Nur konnte Eileen leider nicht anders. »Wenn Whisky ausreichen würde, um splitternackt in den eisigen Atlantik zu springen, dann würden das die Kerle im Peebles ständig machen. Josh, willst du mir nicht erzählen, was wirklich mit dir los ist, dass du so schräge Nummern abziehst?«
»Die paar Minuten, wo es mit uns beiden einfach nur gemütlich war, sind dir wohl zu lang vorgekommen?«
Da war er wieder, sein gereizter Ton. Eileen hätte ihr klägliches Monatsgehalt darauf gesetzt, dass er sie gleich vor den Kopf stoßen würde, damit sie ihn nicht weiter in die Ecke drängen konnte. »Es geht mir doch bloß darum, dass ich mir Sorgen um dich mache. Du wirkst so abwesend, als wäre ein Teil von dir ganz woanders.«
»Damit meinst du scheinbar: nicht bei dir. Habe ich irgendwas
verpasst zwischen uns? Ich weiß, wenn ich zu viel getrunken habe, dann...«
»Nun mach mal halblang, Galbraith«, schleuderte ihm Eileen hitziger entgegen, als sie vorgehabt hatte. »Wenn du jetzt wieder eklig wirst, um mich auf Abstand zu halten, ist damit auch niemandem geholfen.«
»Du möchtest also gern den Abstand zwischen uns überwinden. Tut mir leid, aber mein Bett ist noch klatschnass von meiner nächtlichen Schwimmaktion. Also ein anderes Mal, ja?« Josh war aufgestanden und stützte sich nun mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte ab, wobei er sich bedrohlich weit vorlehnte.
Eileen war durchaus beeindruckt, aber keineswegs bereit, den Kopf einzuziehen. »Wenn mir der Sinn danach stünde, hätte ich auch nichts gegen deinen Küchentisch einzuwenden. Aber darum geht es mir jetzt nicht, sondern darum, was mit dir los ist. Deine ganze aufbrausende Art bestärkt doch nur meinen Verdacht, dass etwas komplett verkehrt läuft. Hängt es mit dem Todestag deines Vaters zusammen?« Nun war er raus, der Verdacht, der Eileen schon die ganze Zeit auf der Seele lastete.
Mit einem Schlag sank Josh auf seinen Stuhl zurück, sogar das angriffslustige Blitzen verschwand aus seinen Augen. »Was willst du eigentlich, Rutherford?«, brachte er heiser hervor.
Ungeachtet der Tatsache, dass diese Frage alles andere als einladend formuliert war, umrundete Eileen den
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