SISSI - Die Vampirjägerin
beinah mit der Hand vor die Stirn geschlagen hätte.
»Das …«, begann Sophie, aber Franz-Josef ließ sie nicht ausreden.
»Kann ich Sie kurz allein sprechen?«, fragte er.
Sie wirkte irritiert, nickte jedoch und ging mit ihm zurück in den Gang. Im Saal hatte das Orchester zu spielen begonnen. Ludwig musste es darum gebeten haben, als Franz-Josef die Begrüßungszeremonie so unerwartet abgebrochen hatte.
»Ich hoffe, du willst mit mir über deine Heirat sprechen«, sagte Sophie.
»In gewisser Weise. Helene, das Mädchen auf der Terrasse, ist die, mit der ich mich verloben soll?«
»Das wüsstest du, wenn du sie, wie abgesprochen, gestern aufgesucht hättest.«
Franz-Josef ging nicht darauf ein. »Ich möch… ich werde ihre Schwester Sissi heiraten.«
Sophie schwieg. Die Musik aus dem Ballsaal hallte durch den Gang.
»Ihnen geht es doch nur um die politische Verbindung, nicht wahr?«, fragte Franz-Josef, als Sophies Antwort ausblieb. »Was macht es da für einen Unterschied, ob ich die ältere oder die jüngere Schwester zur Frau nehme?«
Sophie wandte sich ab. »Warte hier«, sagte sie.
Und das tat er.
Sissi hörte, wie Franz – Franz-Josef, dachte sie mit erneutem Entsetzen – und Sophie die Terrasse verließen. Néné und ihre Mutter redeten auf sie ein, aber sie nahm die Hände nicht vom Gesicht und wechselte kein Wort mit ihnen. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass sie sich in einen Vampir verliebt und ihm das Leben gerettet hatte? Dass sie ihn nicht pfählen, sondern küssen wollte?
»Sag doch was, Kind.«
Sissi schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte sie sich im Bett verkrochen und geschlafen, bis ihr Leben vorüber war. Sie hatte ohnehin nichts mehr davon zu erwarten.
Schritte rissen sie aus ihren Gedanken. »Ludovika«, hörte sie Sophie sagen. »Ich muss mit dir sprechen.«
Es raschelte, als ihre Mutter aufstand. Schritte entfernten sich.
»Es ist keiner mehr hier außer mir«, sagte Néné nach einem Moment. »Du kannst die Hände herunternehmen.«
»Nein.« Sissi wollte ihrer Schwester nicht in die Augen sehen.
»Sprich doch mit mir. Du machst mir Angst.«
Sissi schüttelte nur stumm den Kopf.
Eine Weile saß Néné neben ihr. Sie redete nicht, strich ihrer Schwester nur ab und zu übers Haar. »Mutter kommt zurück«, sagte sie schließlich.
Sissi hörte ihre Schritte. Etwas wurde auf dem Tisch neben ihr abgestellt, dann raschelte ein Kleid. Prinzessin Ludovika hatte sich neben sie gesetzt.
Sie weiß es, dachte Sissi. Der Gedanke war beruhigend; sie war nicht mehr allein.
»Néné, setz dich und trink den Champagner«, sagte ihre Mutter.
»Aber was ist mit meinem Atem?«
»Das spielt im Moment keine Rolle.« Sie holte tief Luft. »Ich muss dir etwas sagen.«
KAPITEL DREIZEHN
Manchmal stoßen die Kinder Echnatons auf solche, die sie gern in ihren Reihen sehen würden, vor allem Offiziere mit strategischem Geschick und – sagen wir es ganz offen – Menschen mit erheblichen finanziellen Mitteln. Die Organisation und Geheimhaltung eines internationalen Netzwerks ist kostspielig. Die Reisekosten der einzelnen Mitglieder sind teils erheblich, ebenso die Ausgaben für Telegrafie, falsche Papiere, Waffen und Hinterbliebenenrenten gefallener Mitglieder. Die bei Weitem höchsten Kosten fallen jedoch für Bestechungen an, in erster Linie der von Gendarmen und Palastdienern. Letzteren ist es zu verdanken, dass die Kinder Echnatons Grundrisse sämtlicher Herrscherpaläste in Europa besitzen und über die Angewohnheiten der hochadligen Bewohner bestens informiert sind.
– Die geheime Geschichte der Welt von MJB
Es war, als hätte ein anderer die Kontrolle über ihren Körper übernommen. Sissi aß, ohne satt zu werden, trank, ohne etwas zu schmecken, redete, ohne die Unterhaltungen zu verstehen. Sie fühlte sich wie die Leute, die sich von einem Zauberer auf der Bühne in Hippose – so nannte man das doch? Sie war sich nicht sicher – versetzen ließen und auf einmal wie Hühner gackerten. Sie wusste nicht, was sie tat.
Sie saßen am Tisch des Kaisers, sie, ihre Mutter und Néné. Sissi bewunderte ihre Schwester mehr als je zuvor. Sie lachte, scherzte und flirtete mit den jungen Männern, die ab und zu neben ihrem Stuhl auftauchten, tanzte mit Gustav von Reitlingen und lauschte den alten Frauen am Tisch, wenn sie über ihre Gebrechen redeten. Nur mit dem Kaiser wechselte sie kein einziges Wort. Sie sah ihn noch nicht einmal an.
Sissi starrte hauptsächlich auf ihren
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