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SISSI - Die Vampirjägerin

SISSI - Die Vampirjägerin

Titel: SISSI - Die Vampirjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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die Gedankenkraft, die dazu nötig wäre, ist kaum vorstellbar.
    – Die geheime Geschichte der Welt von MJB
    Es traf Sissis Vater härter, als sie gedacht hatte. Zwei Tage lang schloss er sich in seinem Arbeitszimmer ein, verließ es nur nachts und redete mit niemandem ein Wort. Selbst die Hunde gingen ihm aus dem Weg. Am Morgen des dritten Tages hörte Sissi schließlich, wie er den Schlüssel umdrehte und durch das Treppenhaus nach unten ging. Wenig später ritt er davon.
    Sissi schlug die Bettdecke zurück und sah sich in ihrem Zimmer um. Sophie hatte sie für den fünfzehnten September nach Wien in den Palast bestellt, was bedeutete, dass ihr weniger als drei Wochen für die Vorbereitungen blieben. Bisher hatte jedoch nur ihre Mutter damit begonnen. Von ihr wurde Sissi in die komplizierten Eigenheiten des Spanischen Hofzeremoniells eingeführt. Ihre Schwester und ihr Vater, diejenigen, die ihr hätten erklären sollen, was sie bei Hof zu tun hatte, hielten sich fern und ihre Mutter sagte nur, sie wolle sich in die Belange ihres Gatten nicht einmischen.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben, dachte Sissi, während sie aufstand und sich einen Morgenmantel überzog. Sie fühlte sich allein gelassen.
    Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und schlug die ungarische Grammatik auf, die sie aus Nénés Zimmer entwendet hatte. Drei Stunden lang versuchte sie, darin zu lesen, aber die Worte verschwammen vor ihren Augen. Stattdessen drängte sich Franz-Josef in ihre Gedanken. Er trug seine Kaiseruniform und hielt den Strauß roter Rosen in der Hand.
    Wenn er nur nicht so gut aussehen würde, dachte Sissi, und so nett wäre … Wenn ich ihn nur nicht lieben würde.
    Sie schlug das Buch zu, als Hufschlag im Hof erklang, und trat ans Fenster. Ihr Vater stieg gerade von seinem Pferd und reichte die Zügel einem Knecht. Die beiden Männer unterhielten sich einen Moment, dann sah Herzog Max plötzlich zu ihrem Fenster hinauf. Sissi wäre beinah unwillkürlich zurückgewichen, als täte sie etwas Verbotenes, doch dann winkte sie ihrem Vater zu.
    Er erwiderte die Geste und zeigte zur Eingangstür. Ich will mit dir reden, schien er sagen zu wollen.
    Sissi zog sich rasch an. Ihr Herz schlug schneller. Als sie unten ankam, standen ihr Vater und ihre Schwester bereits an der Tür zum Keller.
    »Kommt«, sagte Herzog Max.
    Hintereinander stiegen sie die Treppe hinunter, gingen durch lange Gänge, vorbei an Apfel- und Kartoffelkisten, und blieben vor einer Wand stehen. Néné bückte sich und drückte einen der Ziegel hinein. Sissi hörte, wie der Mechanismus in der Mauer zu knirschen und zu quietschen begann, dann schwang die Wand auf. Der große Raum, der dahinter lag, war Sissi so vertraut wie ihr eigenes Zimmer. Schwerter, Äxte und Dolche hingen an den Wänden, auf dem Boden lagen einige Matratzen, auf denen sie gelernt hatte, zu fallen und Gegner über die Schulter zu werfen. In einer Ecke hingen schwere silberne Ketten. Sie hatte immer gehofft, dass sie eines Tages einen Vampir gefangen nehmen würden, doch das war nie geschehen.
    Herzog Max öffnete eine schmale Tür am Ende des Raums. Der Geruch nach altem Papier schlug Sissi entgegen. Bücher und Schriftrollen stapelten sich in den Regalen, auf dem Schreibtisch lag eng beschriebenes Papier. Herzog Max nannte den Raum: Das Zimmer der Legenden, Sissi nannte es: Das Zimmer der Langeweile . Hier hatte sie das Gebet auswendig lernen und sich all die Geschichten anhören müssen, die ihr Vater über Vampire zusammengetragen hatte. Néné hatte sehr viel Zeit auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch verbracht. Sissi hatte sie nicht darum beneidet.
    Früher einmal war das anders gewesen. Damals, als sie und Néné Kinder gewesen waren, hatte Sissi oft darum gebeten, mit in das Zimmer gehen zu dürfen, um an all den Dingen teilzuhaben, die Néné dort erfuhr. Doch ihr Vater hatte es stets verboten.
    »Du bist eine Soldatin«, hatte er gesagt, wenn Sissi nach dem Grund fragte, »und Néné eine Spionin. Jede von euch erfährt, was sie auf ihrem Weg brauchen wird.«
    Und so hatte Néné Ungarisch und Spanisch, Französisch, Englisch und Serbisch gelernt, während Sissi vor der Tür den Schwertkampf übte. Néné wurde beigebracht, wie man sich bei Hof benahm, wie man redete, mit fünf verschiedenen Bestecken aß und sich über Themen wie Philosophie, Geografie, Geschichte und Kunst unterhielt; Sissi dagegen lernte den Umgang mit Beidhändern, Degen und Dolchen.
    Manchmal hatte sie während Nénés

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