SISSI - Die Vampirjägerin
gewollt hätte. Er hätte sich damit vergiftet.
Für einen kurzen Moment sah er die tote Ente in der Pfütze vor sich, doch er schüttelte sich. Das Blut von Vögeln war nicht halb so nahrhaft wie das von Säugetieren und wer wusste, wie lange die Ente dort schon lag. Aber es gab andere Tiere im Haus, lebende, die ihre Spuren hinterlassen hatten.
Franz-Josef warf einen Blick auf Sissi. Sie schien ruhiger zu schlafen als zuvor, und als er seine mit Brandblasen bedeckte Hand auf ihr Gesicht legte, schien es nicht mehr ganz so heiß.
Er tastete sich an der Wand entlang durch den Flur bis zur Treppe, die in den Keller führte. Beinah wäre er die Stufen hinabgestürzt, so sehr zitterten seine Knie.
Kein Lichtstrahl trübte die Dunkelheit des Kellers. Dicke Mauern ohne Oberlichter schlossen ihn von der Außenwelt ab. Es war ein wunderbarer Schlafplatz, so einladend, dass Franz-Josef beinah seinen Hunger vergessen und sich einfach in den Staub gelegt hätte.
Er hob die Nase, suchte nach den Ratten, die er bei seiner Ankunft gehört hatte. Ihr Kot lag überall herum, also gab es sie nicht nur in den Wänden, sondern im ganzen Haus. Hinter einem zernagten Korb entdeckte Franz-Josef schließlich ein Nest. Die Tiere verhielten sich ruhig und beobachteten ihn aus schwarzen Augen. Sie hatten gelernt, dass Menschen sie in der Dunkelheit nur entdeckten, wenn sie Geräusche machten.
Aber Franz-Josef war kein Mensch.
Er nahm alle Kraft zusammen, die er noch aufbringen konnte, und warf sich auf das Nest. Zwei der Ratten zerdrückte er mit seinem Körper, zwei weitere packte er, eine letzte schnappte er mit den Zähnen. Sie wand sich zwischen seinen Lippen und schrie so laut wie ein Kind. Franz-Josef fuhr seine Fänge aus, jagte sie in ihr Fleisch und trank ihr Blut, bis sie erschlaffte. Dann spuckte er sie aus, riss der Ratte in seiner linken Hand den Kopf ab und trank aus ihrem Hals. Verglichen mit menschlichem Blut, das seinen Körper durchströmt hätte wie ein reißender Fluss, war das Blut dieser Tiere wie ein Tropfen auf eine Feuersbrunst, aber es hielt zumindest den Lichtbrand auf und gab Franz-Josef etwas von seiner Kraft zurück.
Er trank die letzten drei Ratten aus, dann stieg er die Treppe zum Erdgeschoss wieder hinauf. Er hatte sämtliche Türen bis auf jene, die in Sissis Zimmer führte, geschlossen. Trotzdem spürte er das Licht. Es ließ langsam nach. Der Abend nahte.
Neben einer Wand blieb er stehen und lauschte auf das Rascheln und Kratzen. Dann ballte er die Faust und stieß sie durch den Lehmputz. Die Ratte, die er packte, quiekte kurz, dann brach er ihr das Genick. Er trank sie aus und warf sie in eine Ecke. Zehn weitere Ratten fing er auf diese Weise, dann schienen die anderen die Gefahr erkannt zu haben, denn es wurde still in den Wänden. Franz-Josef wischte sich Blut vom Kinn und leckte es von seinem Handrücken. Der Geschmack war fad und ein wenig bitter, aber mit der Kraft, die er gewonnen hatte, würde er es bis in die Nacht schaffen. Dann musste er jagen, sonst würde der Lichtbrand ihn doch noch besiegen.
Sissi schlief, als er ihr Zimmer betrat, und wachte auch nicht auf, als er ihr über das schweißnasse Haar strich.
»Ich liebe dich«, flüsterte er.
Draußen röhrte ein Hirsch.
Als die Nacht kam, verließ Franz-Josef das Haus. Er erlegte einen Rehbock und trank von ihm, bis die Brandblasen auf seiner Haut verschwanden und neue Kraft ihn durchströmte. Auf dem Rückweg sattelte er sein Pferd ab und führte es hinter das Haus, damit man es von der Straße nicht sehen konnte. Den länglichen Gegenstand, den er hinter dem Sattel festgezurrt hatte, nahm er mit. In Sissis Zimmer legte er ihn auf eines der Betten und tauchte seinen Lappen wieder in den Wassereimer. Bis zum Morgen blieb er an Sissis Seite sitzen, dann holte die Erschöpfung ihn ein. Er legte sich unter ihr Bett und schloss die Augen.
Menschen schliefen nicht wie Vampire, das hatte ihm seine Mutter schon vor langer Zeit erklärt, als er sie gefragt hatte, was Träume seien. Im Schlaf, hatte sie gesagt, erzählten Menschen sich selbst Geschichten, manche schön, andere so schrecklich, dass sie schreiend erwachten.
Franz-Josef hatte das nie verstanden, aber als er an diesem Morgen langsam in den Schlaf glitt und Sissi atmen hörte, wünschte er sich, er hätte von ihr träumen können, um nie mehr von ihr getrennt zu sein.
»Vampir!«
Der Schrei riss ihn aus dem Schlaf. Franz-Josef fuhr hoch, stieß sich den Kopf an der
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