SISSI - Die Vampirjägerin
Holzkreuz. Es gab weder Bettlaken noch Kissen und die strohgefüllten Matratzen stanken, aber zumindest waren sie nicht feucht. Das kleine Fenster war irgendwann einmal vernagelt worden, von wem und warum, konnte Franz-Josef nicht erkennen.
Er nahm Sissi den Umhang von den Schultern und breitete ihn auf einem der Betten aus. Sie begann zu zittern, als er sie seitlich darauf legte, also zog er seine Jacke aus und deckte sie damit zu.
Ob das reicht?, fragte er sich. Über kranke Menschen wusste er nur, was er zufällig beim Lesen aufgeschnappt hatte. Man heilte Schlangenbisse, indem man das Gift aus der Wunde saugte, man bekämpfte Skorbut mit Sauerkraut und ließ den Patienten auf ein Stück Holz beißen, bevor man sein Bein amputierte.
Sophie hat recht, dachte Franz-Josef frustriert. Ich hätte nicht nur Piratenromane lesen sollen.
Er schob einen alten Kleiderschrank vors Fenster, warf einen kurzen Blick auf die zitternde und stöhnende Sissi, dann durchsuchte er den Rest des Hauses. Die Treppe nach oben war morsch, aber begehbar. Fast alle Zimmer, abgesehen von einer Küche und etwas, was wie ein Büro aussah, standen voller Betten. Kreuze hingen an den Wänden. Auf den vergilbten und verschimmelten Gemälden, die im Büro hingen, waren religiöse Motive zu erkennen. Jesus, der eine Schafherde segnete; Maria mit dem Jesuskind auf dem Schoß; Engel, die einen Sonnenstrahl zur Erde schickten und ein im Schnee sitzendes Mädchen damit wärmten. Franz-Josef wusste nicht, ob er an Engel glauben sollte, aber er hoffte, dass sie sich, wenn es sie tatsächlich gab, vorher darüber informierten, ob ein Mensch oder Vampir im Schnee saß.
Vielleicht helfen sie ja Sissi, dachte er.
Bei dem Gebäude schien es sich um ein altes Kloster zu handeln. Vielleicht wachte Gott ja noch darüber und bemerkte das Leid, das sich darin abspielte.
Franz-Josef warf einen Blick aus dem Fenster. Das Grau des Himmels wurde am Horizont bereits ein wenig heller. In spätestens einer Stunde konnte ein Vampir draußen nicht mehr ungeschützt überleben.
Aber wir brauchen Hilfe, dachte Franz-Josef. Ich kann nicht bis zum Abend warten.
Sissi lag in unveränderter Haltung auf dem Bett, als er durch ihre Zimmertür blickte. Es gefiel ihm nicht, sie allein zu lassen, aber er hatte keine andere Wahl. Er zog die Tür zu, hängte die Kette ein und hoffte, dass niemand vorbeikommen und das zerstörte Schloss bemerken würde. Dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt zu dem kleinen Dorf, das er in der Nähe gesehen hatte.
Er wurde schneller fündig, als er gehofft hatte. In einer Hütte am Rand des Dorfes entdeckte er eine Frau hinter einem Fenster. Rauch stieg aus dem Schornstein. Franz-Josef stieg vom Pferd und klopfte an die Tür.
Die Geräusche, die er im Innern hörte, erstarben.
»Ja?«, fragte eine weibliche Stimme.
»Grüß Gott«, sagte Franz-Josef. »Würde sie … würden Sie bitte aufmachen? Ich brauche Hilfe für eine Kranke.«
Er hörte Schritte, dann würde die Tür geöffnet. Die Frau, die ihn ansah, hatte graues, streng nach hinten gekämmtes Haar und ein hageres, faltiges Gesicht. Ein Mann saß hinter ihr an einem Holztisch und schnitt Brotscheiben von einem Laib ab. Es waren arme Leute, wahrscheinlich Tagelöhner, die sich bei den Bauern der Umgebung verdingten.
»Wos hot’s denn?«, fragte die Frau.
Sie hat schlechtes Blut, wollte Franz-Josef im ersten Moment sagen, doch damit hätte sie wohl nicht viel anfangen können. »Sie hat sich verletzt und ihre Haut ist ganz heiß.«
»Hot’s a Fiaber?«, fragte der Mann am Tisch.
Nannte man das so? Franz-Josef nickte vorsichtshalber.
»Ham’s ka Göld fia an Oarzt?«
»Nein.« Er trug nie Geld bei sich. Wenn er etwas benötigte, fragte er jemanden und bekam es. Er wusste weder, was ein Ei kostete, noch wie viel ein Tagelöhner verdiente.
Die beiden Menschen sahen sich an.
Franz-Josef versuchte, sich zu konzentrieren, um sie mit letzter Kraft zu betören, doch dann sagte die Frau: »Kumman’s eina.«
Sie erklärte ihm, was er zu tun hatte, während der Mann Decken aus einem Schrank holte und eine Flasche mit klarem Schnaps und die Hälfte des Brotlaibs, von dem er Scheiben abgeschnitten hatte, darin einwickelte. Dann verließ er die Hütte. Erschrocken bemerkte Franz-Josef, wie hell es draußen schon geworden war.
Er lauschte den Erklärungen der Frau. Sie schien zu spüren, wie unerfahren er in solchen Dingen war, denn sie zwang ihn dazu, alles zu wiederholen, was
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