SISSI - Die Vampirjägerin
Licht raubte ihm die Orientierung, verwirrte ihn mit seiner tosenden Helligkeit.
Ich werde verbrennen, dachte er entsetzt, als seine Hände sich röteten. Blasen bildeten sich auf seinen Fingern.
»Sissi?«
Dann stolperte er über ihre ausgestreckten Beine. Sie lag reglos im hohen Gras und hatte die Arme unter ihrem Körper angewinkelt, als wolle sie sich hochstemmen wie bei einer Liegestütze. Sie musste aus dem Haus gekrochen sein, denn als Franz-Josef sie auf die Seite drehte, sah er, dass ihre Bluse zerrissen und schmutzig und ihre Finger dreckverkrustet waren. Sie hielt ausgerissene Grasbüschel gepackt.
»Sissi?« Er beugte sich zu ihr hinab. Der Schatten des Umhangs fiel über ihr Gesicht. Franz-Josef erschrak, als er sah, wie blass ihre Haut war.
Mit einer Hand hob er sie vorsichtig hoch, mit der anderen hielt er den Umhang fest. Sein Arm dampfte unter dem Stoff seines Hemds, Brandblasen bedeckten seine Haut. Der Schmerz raubte ihm fast den Verstand. Taumelnd machte er sich auf den Weg zurück ins Haus.
Sissi stöhnte in seinem Arm und öffnete die Augen, ohne ihn zu sehen. »Nein …«, sagte sie. Und dann noch einmal lauter: »Nein!«
Sie begann, sich gegen ihn zu wehren, ballte eine Faust und hieb mit ihr gegen seine Brust. Sie schien zu glauben, etwas mit ihren Fingern zu umklammern – ein Messer vielleicht, oder eine andere Waffe.
»Schon gut. Alles wird gut.« Er versuchte, sie zu beruhigen, aber der Klang seiner Stimme schien ihre Angst nur noch zu steigern. Die Hitze pochte in seinem Kopf, machte einen klaren Gedanken unmöglich. Gleichzeitig hämmerte ihm Sissi immer wieder die Faust gegen die Brust.
»Pfählen!«, stieß sie hervor. »Pfählen!«
Was sagte sie da? Franz-Josef war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte, und er hatte nicht mehr die Kraft, darüber nachzudenken.
Mit dem Knie stieß er die Tür zu dem verdunkelten Zimmer auf. Die Dunkelheit kühlte seine Haut und beruhigte seine Augen. Sissi wehrte sich immer noch heftig in seinen Armen. Franz-Josef legte sie aufs Bett, drückte sie gegen die Matratze, als sie versuchte aufzuspringen. Sie schrie und kreischte, schlug nach ihm und versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen, bis er schließlich ausholte und ihr seinen Handballen gegen die Schläfe hieb. Sie sackte zusammen und blieb regungslos liegen.
Auf einmal war es still.
Franz-Josef musste noch einmal nach draußen, um das Bündel und den Eimer zu holen, dann warf er die Tür zu und setzte sich erschöpft neben Sissi auf das Bett. Mit den Stricken, die das Bündel zusammengehalten hatten, fesselte er ihre Arme und Beine. Er hatte nicht vor, zu schlafen, wusste aber nicht, ob ihm das auch gelingen würde.
Der Schmerz, den die Strahlen der aufgehenden Sonne auslösten, tobte immer noch durch seinen Körper. Die Vampire nannten es Lichtbrand. Er heilte schnell, wenn man Blut zu sich nahm. Doch konnte man das nicht, breitete er sich langsam, aber unaufhaltsam immer weiter aus, bis er den Körper vernichtete. Franz-Josef hatte gehört, es sei ein schrecklicher Tod.
Mühsam kam er auf die Beine und begann die Anweisungen der Frau aus der Hütte zu befolgen. Mit dem Schnaps reinigte er Sissis Wunden, dann verband er sie mit Stoff, den er aus seinem Hemd riss, und benutzte den Rest, um ihre Stirn mit Wasser zu kühlen. Sissi stöhnte einige Male, ansonsten blieb sie ruhig.
Immer wieder wischte er ihr mit dem feuchten Lappen übers Gesicht. Er wagte es nicht, damit aufzuhören, obwohl der Schmerz weiter wie ein Feuer in ihm loderte und seine Erschöpfung ihn zu zerreißen drohte. Die Helligkeit, die er draußen spürte, entzog ihm Kraft. Alles hätte er darum gegeben, trinken und dann schlafen zu können, aber er ruhte nicht. Sissis Leben hing davon ab, dass er durchhielt. Er roch es an ihrem Blut.
Die Brandblasen breiteten sich unaufhaltsam aus. Er sah sie an seinen Armen und auf seiner Brust, spürte sie in seinem Gesicht. Franz-Josef wusste, dass er aussah wie ein Mensch, den man zu spät aus einem brennenden Haus gezogen hatte, trotzdem machte er weiter. Irgendwann fand er sich auf dem Boden neben Sissis Bett wieder. Er musste zusammengebrochen sein, ohne es bemerkt zu haben.
Es hilft ihr nicht, wenn ich sterbe, dachte er mit plötzlicher Klarheit. Ich muss trinken.
Franz-Josef stemmte sich auf die Beine. Draußen war es erst Nachmittag, noch längst nicht spät genug, um das Haus zu verlassen. Von Sissis Blut konnte er nicht trinken, selbst wenn er es
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