Sister Sox
Biergarten holte er sich eine Russnmaß. Man musste ja am frühen Nachmittag nicht gleich mit Vollbier einsteigen.
Ich ging zum Schlachthof. Meine Fresse, war das ein Gestank heute! Als hätten sie direkt unter dem Pflaster Tierkadaver verscharrt. Sabatinos Osteria lag in dem umzäunten Gelände. Tolle Lage, ziemlich zentral. Wo geschlachtet wird, wird auch gegessen. Natürlich auch gesoffen. Der Nachteilwar, dass bei einer Wetterlage wie dieser wahre Miasmen aus den Gullys pesteten und nach innen in die Häuser krochen. München leuchtet nicht nur, es stinkt. Jedenfalls im Schlachthofviertel. Sabatino, der seit langem in München ansässige kalabresische Gastronom, konnte das plausibel erklären.
– Claro, hatte er gesagt. Die machen da täglich an die tausend Schweine und zweihundert Rinder tot und schlitzen sie auf.
Sabatino setzte die ausgestreckten Finger der rechten Hand an seiner Schläfe an wie einer, der sich einen Kopfschuss verpassen will. Dann markierte er die Brustbeinlinie und zeichnete sie weiter nach unten, als lasse sich das da vorne wie mit einem Reißverschluss öffnen. Allerdings stoppte er in Höhe des Bauchnabels, denn die Vorstellung hervorzurufen, er lasse sich womöglich seinen Schwanz zerteilen, war ihm unangenehm.
– Vorne alles offen. Holen sie die ganzen Innereien raus. Und das Blut, die Scheiße und weiß der Geier was noch, das brausen sie in den Abfluss. Das Zeug sammelt sich da unten, gärt, verwest. Wetter drückt von oben. Pumpt Gestank hoch. Und der legt sich wie eine Glocke über die ganze Gegend.
Von zwölf bis fünfzehn Uhr war in Sabatinos Osteria Hochbetrieb. Aus dem Schlachthof, der Großmarkthalle und den umliegenden Fleisch verarbeitenden Betrieben kamen sie, um einen Teller Pasta zu essen. Rauch und die lautstarke Unterhaltung schlugen mir entgegen, als ich die Tür öffnete. Eine bunt gemischte Gesellschaft: Männer in Arbeitskleidung, blutverschmiert, Fernfahrer und Kaufleute mitBrillant-Ohrringen, goldenen Armbändern in feinen Anzügen. Manchmal folkloristisch gebrochen, weiße Leinenhosen und -janker mit Lodenapplikationen, ein rosa Einstecktuch oder Haferlschuhe. Stammgast war, wer bei seiner Ankunft Rita knutschen durfte. Rita stellte ihren derben, fülligen, aber schon etwas welken Sex durch enge, bauchnabelfreie Tops aus. Sie trug eine weiße lange Schürze und watschelte mit den Tellern in der Hand durch das Lokal. Sie machte das Begrüßungsritual willig mit, ließ sich auf die Wangen küssen und am Rücken tätscheln. Mehr ging nicht, jedenfalls im Lokal.
– Hi Gossec, sagte Rita und hielt mir ihre Wange hin.
Ich küsste sie und rubbelte an ihrem Rücken. Sabatino hob die Hand, als ich mich setzte. Der Platz an der Theke war immer frei für mich. Sabatino stellte mir eine große Weißweinschorle mit Eiswürfeln hin.
– Was soll’s sein?
– Ich nehme die Linguine mit Rucola-Pesto.
Hinter mir drängten sich ein Pharmavertreter und ein Immobilienmakler an den leeren Tisch. Ich kannte die beiden. Zwei unangenehme Patrone. Männer wie Gockel, die über das Stadium des Wettwichsens nie wirklich hinausgekommen sind. Der Pharmamann, gedunsen und herausgefüttert wie Mammis Liebling, klebte wie eine Butterkugel auf dem Barhocker. Der Makler blieb stehen, um sich die Bügelfalte nicht zu verderben. Seine Fresse war alkoholzerklüftet wie die von Jelzin. Auch frisurmäßig gab es einen Gleichklang. Er trug sein Haar genau so sauber gescheitelt, oben aufgewellt und scheinbar unkaputtbar mit Kunstharz nachbehandelt.Zunehmend missmutiger rollte ich die Linguine auf. Das Geschwätz anzuhören, war eine Pein. Genau genommen Körperverletzung.
Der Dicke schob dem Eleganten die Abendzeitung zu.
– Die Kleine, da, die früher drüben im Markgraf bedient und später Karriere gemacht hat, von der gibt es jetzt Fotos. Hast du davon gehört?
Der Elegante schüttelte den Kopf.
– Die Schwarze?
– Kaffeebraune, verbesserte der Dicke. Au Mann, was für eine Frau. Alles dran.
Der Dicke machte Push-up-Bewegungen in Brusthöhe.
– Die ist da unten rasiert, raunte er. Sieht man ganz deutlich.
– Andiamo, sagte der Jelzindarsteller und klopfte dem Dicken auf die Schulter. Die Maschine steht draußen.
Die beiden verließen das Lokal. Ich legte Sabatino einen Schein hin und lief hinterher. Sie standen vor einer Harley Davidson mit schwarzen Fransentaschen. Interessiert blickten sie mir entgegen, als ich ankam.
– Ist das deine?
Ich wendete mich gleich dem
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