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Sister Sox

Titel: Sister Sox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Glockenbachviertel war man eine seltsame Figur, Franziskus, unser Ordensgründer, hätte seine Freude daran gehabt. Unauffälliger war man hier in einer Soutane, aus der ein wenig mehr Prälatenlila hervorschimmerte.
    Es gibt zwei Sorten von Menschen, solche, die in diesem Viertel wohnen, und solche, die dorthin möchten, und sei es auch nur besuchsweise. Wer wie ich im Schlachthofviertel lebt, was nur einen Weg von ein paar Minuten ausmacht, gehört zum Abschaum. Bei uns lässt man der Bierwampe durch den Gummizug einer Trainingshose freien Lauf, schleicht mit Adelskrone -Pils und Schnäpschen um das Arbeitsamt, wo sich immer ein paar Kumpane finden, und verprügelt abends seine Frau. Das Glockenbachviertel hingegen wird von bauchfreien Mädchen auf der Suche nach einem freien Tisch bevölkert, wo sie mit ihrer Freundin eine Latte macchiato trinken und so lange über ihre Zukunft plaudern können, bis sie von ihrem Freund mit dem Auto abgeholt werden. Ein weiterer Teil der Flaneure gehört zu der Sorte, die sich voneinander mit Bussi und Ciao-ieh verabschiedet. Die dritte Gruppe schließlich sind homöopathisch austarierte Mitvierzigerinnen in figürlich günstigem Glockenleinen, die sich mit Schmerzen von ihrem Lebensgefährten getrennt, inzwischen jedoch als Selbstständige beidbeinig ins Leben gefunden haben und nun ein Lokal mit ayurvedischer Kost aufzuspüren versuchen, oder wenigstens einen Asiaten. Der große Rest im Glockenbachviertel macht Service oder stört gewaltig.
    Also beschleunigte ich meinen Schritt, ging über die Westermühlstraße und den gleichnamigen Bach hoch zum alten Südfriedhof. Dahinter ab der Thalkirchner Straße beginnt das Viertel, in dem man leere Flaschen durch Pflasterwurf entsorgen darf. Ich betrat den Friedhof durch ein Seitentor undbegegnete beim Grab von Ignaz Döllinger einem sichtlich verzweifelten Kollegen.
    – Das Kloster St. Anton, wo ist das Kloster?
    – Pater Tassilo, fragte ich.
    – Gott sei Dank, Sie kennen mich. Du meine Güte, habe ich mich hier verlaufen!
    – Bruder Vinzenz, stellte ich mich vor. Ich bringe Sie hin, keine Bange.
    Pater Tassilo war rot echauffiert und sah aus, als hätten nun auch die Sparkassenangestellten einen Orden in Rom gegründet: Er roch nach gutem Duftwasser, war gut rasiert, gut genährt und mit einer Kutte angetan, die aus deutlich feinerem Stöffchen war als die meine.
    – Sind Sie vom Kloster St. Anton?
    – Ich bin nur ein einfacher Bruder. Der Gärtner hier im Friedhof.
    Wir gingen zusammen.
    – Und wie stehen die Dinge in Rom, Pater Tassilo?
    Pater Tassilo hob ein wenig die linke Augenbraue. Er zweifelte, ob er einen von solchem Format vor sich hatte, dem eine Antwort hierauf überhaupt zukam.
    – Danke, danke. Wir Bayern machen uns ja nun deutlich besser. Aber Hauptsache, dass der Heilige Vater wohlauf ist, nicht wahr?
    Meine Mutter hatte also in ihrer festen Überzeugung doch nicht so Unrecht, dass aus mir ein guter Kleriker geworden wäre.
    – Und der Strudel, fragte ich. Hat der Heilige Vater von dem Strudel gekostet, den wir ihm geschickt haben?
    – Welchen Strudel, fragte Pater Tassilo zurück.
    – Den Strudel, den der Frauenbund gebacken hat.
    – Richtig, der Strudel! Ja nun, der wurde von einem Mitglied der Schweizergarde direkt in die Gemächer des Heiligen Vaters gebracht.
    Genau genommen hätte ich eine große Zukunft als Ordensmann gehabt.
    Als wir beim Haupttor zur Kapuzinerstraße angelangt waren, sahen wir, dass gegenüber beim Kloster Polizeifahrzeuge mit eingeschaltetem Blaulicht standen.
    – Du meine Güte, was ist denn hier los?
    – Ich bin sicher, Pater Tassilo, dass man Sie bereits sucht. Sie entschuldigen mich, ich habe hier noch tun.
    Wir verabschiedeten uns, und ich ging über einen Nebenausgang zur Thalkirchner Straße.

37
    In der Osteria brodelte wie immer um diese Zeit das Leben. Vor großen Weinschorlen in kalt beschlagenen Gläsern, statt des Mineralwassers nahm man bei dieser Sauhitze Eiswürfel, saß und stand eine lärmende Runde zusammen. Wenn der Bayer seine ihm angeborene Wortkargheit überwunden hat, wird er laut, beginnt in krakeelendem Ton zu schreien, haut auf Tische und Schenkel und lacht über jeden ihm dargebotenen Witz. Das verbale Fingerhakeln und Raufen empfindet er als einen angemessenen Ausdruck von Lebensfreude umso mehr, wenn dialektal und auch sonst Gleichsinnte um ihn sind.
    Als ich den Raum betrat, bildete sich eine Gasse, durch die hindurch ich an einen schönen Tisch

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