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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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Eltern. Hinter dem Glas erkannte ich die heilige Maria im weißen Gewand und blauen Mantel, eine Plastikfigur mit Weihwasser aus Lourdes. Ihre Krone konnte man abschrauben wie den Verschluss einer gewöhnlichen Flasche. Tante Selma besaß mindestens drei davon. Links und rechts von der Madonna standen eingerahmte Bilder vom Papst, um die sich ein Rosenkranz schlängelte. Der Anblick war kein besonderer.
    »Wo guckst du denn hin!? Schau höher!«, drängte Aneta.
    Ich trat einen Schritt zurück und ließ meinen Blick nach oben wandern. Auf dem gläsernen Regal, über den Päpsten und der Mutter Gottes, stand ein glänzender Nikolaus und neben ihm ein bunter Osterhase von derselben Machart.
    »Die sind aus echter Schokolade«, flüsterte Aneta beschwörend.
    Ich war hin und weg.
    »Woher habt ihr das?«, fragte ich erschrocken.
    »Das hat uns Mamas Bekannter aus BRD mitgebracht«, erwiderte Aneta.
    B , R , D . Abermals fügten meine Lippen stumm die Buchstaben zur magischen Formel zusammen.
    »Hast du die schon gesehen?«, rief Aneta und zeigte auf den Seitenflügel der Glasvitrine, wo dicht an dicht mehrere Dosen standen, die mit »Coca-Cola«, »Fanta« und »Hansa Pils« beschriftet waren. »Ich weiß was! Lass uns Cola-Trinken spielen!«, schlug sie sogleich vor, was ich mit heftigem Kopfnicken begrüßte. Ich wollte nichts lieber, als eine der Dosen zu berühren. Aneta nahm zwei aus der Vitrine, füllte sie im Bad mit Wasser auf und drückte mir die kühle Cola-Dose in die Hand. Sie war wunderbar glatt und ihr Rot so kräftig wie das Weiß des geschnörkelten Schriftzugs strahlend. Wir gingen wieder ins Wohnzimmer.
    »Ich würde alles tun, um jeden Tag aus einer Coca-Cola-Dose zu trinken«, gestand ich Aneta, die ihr Leitungswasser wie eine feine Dame mit abgespreiztem Finger nippte.
    »Wusstest du, dass in BRD jeder seine eigene Cola-Dose hat?«, fragte sie süffisant.
    Ich war außer mir. Was wusste Aneta noch?
    »Erzähl mir alles, was du weißt!«, flehte ich sie an.
    Aneta musterte mich mit ihren schiefen Augen und sagte nach einer Weile: »Wenn du mehr wissen willst, musst du mir was dafür geben.«
    Ich fummelte hastig Opas Gallenstein aus meiner Hosentasche.
    »Was ist denn das?«, fragte Aneta.
    »Eine versteinerte Himbeere«, log ich. »Sie ist tausend Jahre alt …«
    »Und was kann man damit machen?«
    Während ich die Luft nach einer Idee absuchte, fiel mein Blick auf ein Körbchen auf dem Wohnzimmertisch, in dem eine Banane, Trauben und ein Apfel aus Plastik lagen.
    »Ich weiß nicht. Du kannst sie deiner Mutter schenken. Eine Himbeere fehlt ihr noch im Obstkorb.«
    »Gute Idee. Mama hat bald Namenstag. Gib mir die Himbeere, und ich beantworte dir genau drei Fragen.«
    Ich ließ den Gallenstein in Anetas Hand kullern. Ich hatte doch gewusst, dass er mir eines Tages zu etwas nütze sein würde!
    »Also gut!«, legte ich los. »Meine erste Frage lautet: Wie kommt man nach BRD ?«
    »Es ist eine lange Reise …«, raunte Aneta, als würde sie ein Schauermärchen vorlesen. »Du bist einen ganzen Tag unterwegs.« Ich sank an der Wand entlang auf den Teppich, schlang die Hände um die Knie und konzentrierte mich darauf, mir vor Aufregung nicht in die Hose zu machen.
    »Du musst zwei Grenzen überqueren«, fuhr Aneta fort. »Zuerst kommst du nach DDR .«
    » DDR kenne ich!«, unterbrach ich aufgeregt. »Da fährt meine Oma manchmal hin und kommt mit schönen Sachen wieder!«
    »Sie hat Glück, dass sie nicht erschossen wurde«, sagte Aneta trocken. » DDR ist wie das Fegefeuer. Wenn jemand aus BRD für dich betet, kannst du über die zweite Grenze gehen. Da zeigst du deine Papiere, und schon bist du dort.«
    »Kommt man nur rein, wenn man getauft ist?«, fragte ich.
    »Ich glaube schon. Aber das Wichtigste sind die Papiere.«
    »Was denn für Papiere?«
    Aneta überlegte. »Keine Ahnung. Papiere eben. Ohne die geht gar nichts. Das waren schon drei Fragen. Wenn du mehr wissen willst, musst du mir wieder etwas dafür geben.«
    »Aber ich habe doch nur gefragt, wie man nach BRD kommt!«, empörte ich mich.
    »Ja, und ob man getauft sein muss und was für Papiere man braucht«, sagte Aneta gerissen. »Macht drei Fragen.«
    In den nächsten Tagen hatte Aneta mir im Tausch gegen ein Negerpüppchen, ein Kaleidoskop und einen Bernsteinklumpen alles über BRD erzählt, was sie wusste. Zum Beispiel, dass es dort Kokosnüsse gab wie in Afrika und dass die Menschen in riesigen Autos fuhren. Einmal brachte sie zur

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