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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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doch nur für den Übergang«, tröstete mich Mama mit denselben Worten, mit denen sie von Papa in Hamm getröstet worden war. Mit einer widerstreitenden Mischung aus Resignation und Kampflust ließ sie den Blick durchs Zimmer wandern. »Ich habe eine Idee«, sagte sie nach einer Weile. »Warum macht ihr nicht alle einen Spaziergang, während ich diesen Saustall in Ordnung bringe? Die frische Luft bringt euch bestimmt auf andere Gedanken.«
    Nur widerwillig zog ich mir die Strickjacke über und folgte Papa und Tomek ins Freie. Die Hoffnung, dass sich hinter dem Aussiedlerlager das echte Deutschland auftun würde, schrumpfte mit jedem Meter, den wir zurücklegten. In Unna-Massen gab es keine Wolkenkratzer und keine blinkende Neonreklame, dafür öde Felder und Wiesen und eine Spaziergängerin, die ein Halstuch mit Gänseblümchenmuster trug. Alles Ländliche, dem ich entflohen zu sein glaubte, tauchte hier wieder auf, um meinen Vorstellungen von westlichem Fortschritt zu spotten. Ich überlegte. In Deutschland gab es genug Coca-Cola, um alle Milchzahngebisse der Welt darin aufzulösen. Auch das Konterfei von Micky Maus war auf hiesigen Straßen kein seltener Anblick. Aber kamen nicht sowohl Coca-Cola als auch Micky Maus eigentlich aus Amerika? Konnte es sein, dass Deutschland sich nur mit fremden Federn schmückte und das Gelobte Land, von dem wir in Wirklichkeit träumten und wohin wir hätten auswandern sollen, Amerika war? Kein Wunder, dass uns das Glück nicht lachte. Wir hatten das falsche Land erwischt. Ich überlegte, wie ich das meinem Vater schonend beibringen konnte.
    »Papa?«, fragte ich. »Warum sind wir eigentlich nicht nach Amerika ausgewandert?«
    »Weil es uns hier bessergeht.«
    »Warum?«
    »Weil Deutschland ein Sozialstaat ist. Wenn wir arm dran sind, wird uns geholfen.«
    »Und warum müssen wir dann in diesem Zimmer wohnen?«
    »Sei froh, dass wir ein Dach überm Kopf haben! Weißt du, wie es Leuten geht, die nach Amerika auswandern?«
    Ich spitzte die Ohren.
    »Um Auswanderer kümmert sich da keiner. Die müssen in irgendwelchen dreckigen Kellern leben, schlafen in Badewannen, und Kanalratten fressen ihnen die Haare vom Kopf.«
    Mir grauste bei der Vorstellung. Andererseits: Wenn diese Keller sich unter gläsernen Wolkenkratzern befanden, konnte es doch so übel nicht sein.
    »Oh, seht mal, hier gibt es Eis«, unterbrach Papa meine Grübelei und zeigte auf die Plastiktafel, die aufgeklappt vor einem Kiosk stand. Oben war eine Frau im weißen Badeanzug zu sehen, die in der Pose eines robbenden Babys unter einem Palmwedel lag. Unter ihr schossen wie ein Feuerwerk allerlei Eissorten aus dem Bild.
    Dass wir ein solches Eis haben wollten, war überhaupt keine Frage. Papa beugte sich zum Schiebefenster des Kiosks hinunter, fächerte drei Finger seiner Hand auf und sagte: »Eis, bitte.«
    Der Verkäufer reichte ihm eine Karte, auf der dieselben Eissorten abgebildet waren wie draußen auf der Tafel.
    »Welches möchtet ihr denn haben?«, fragte Papa.
    Erst wollte ich das Eis, das wie ein Buntstift aussah, dann lieber das in der Form eines Fußes. Tomek zeigte auf ein Eis, das einem Käsestück nachempfunden war, und Papa konnte sich nicht entscheiden zwischen einem mit Schokolade überzogenem Eis am Stiel und Waffeleis, um das sich Locken aus roter Soße schlängelten.
    »Wisst ihr was, warum nehmen wir nicht einfach das Billigste«, schlug Papa vor. »Dann ist uns Mama nicht böse, und wir müssen nicht so lange wählen.«
    Er zog das kleine Deutsch-Büchlein aus seiner Herrenhandtasche und blätterte hektisch darin, bis er die gesuchte Stelle gefunden hatte.
    »Ich – habe – kein – Geld«, las er dem Verkäufer langsam und deutlich vor. Anschließend legte er ihm eine deutsche Mark auf die Theke.
    Wenige Sekunden später kam der Verkäufer mit fünf länglichen, in Plastik eingeschweißten Brocken wieder. Sie hatten Farben, die in der Natur selten vorkamen, und waren auf der Karte nicht abgebildet. Weil Papa keine Sätze beherrschte, um eine Beschwerde vorzubringen, akzeptierte er räuspernd das Angebot und reichte mir die garstigen Stangen.
    »Was ist denn das?«, fragte ich.
    »Eis ist es allemal«, stellte Papa fest. »Wenn wir Glück haben, können wir es auch essen.«
    Weil es bereits dunkel geworden war, traten wir den Heimweg an, das Eis mit spitzen Fingern vor uns hertragend.
    Mama öffnete uns die Tür. Im Zimmer roch es immer noch, als hätten stark schwitzende Ratten ein Saufgelage

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