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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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verborgen die »Aussiedlerbaracke«. Dieses frisch errichtete weiße Gebäude würde uns und anderen Aussiedlerfamilien als weitere Notunterkunft dienen.
    Im Inneren der Baracke reihten sich wie in einem Hotel zu beiden Seiten eines langen Flurs Zimmer an Zimmer. Papa klopfte prüfend gegen die Wand.
    »Pappe und Glaswolle«, stellte er fest, als es ihm hohl entgegenhallte. Das uns zugewiesene Zimmer befand sich ganz am Ende des Ganges und hatte die Nummer 5. Wir fanden darin einen Tisch, zwei Stühle, einen Schrank und zwei Etagenbetten vor. Auf den grauen, weiß gestreiften Matratzen lagen Stapel von Kissen, Decken und Handtüchern.
    »Die sind ja noch in Folie gewickelt, so neu sind die!«, jubelte Mama. Sie fuhr mit der Hand über die schlichten Bettgestelle, prüfte mit den Fingerspitzen die flauschige Qualität der Handtücher und schnupperte die Frische aus der Luft. »Und das dürfen wir wirklich alles benutzen?«, fragte sie mit ungläubigem Kopfschütteln.
    »Besser«, sagte Papa. »Wenn wir ausziehen, dürfen wir es sogar behalten.«
    Mama quiekte vor Entzücken, und sie war nicht allein. Aus allen Zimmern, die in den letzten Minuten geöffnet worden waren, drangen spitze Begeisterungsschreie.
    »Unmöglich!« – »Phänomenal!« – »Das ist Hochkultur!«
    »Gehen wir auf den Flur und begrüßen die anderen!«, schlug Mama vor.
    Auf dem Flur begegneten uns zunächst zwei Männer, die sich auf Russisch begrüßten.
    »Polen und Russen auf so engem Raum, ob das gutgeht?«, flüsterte Mama.
    »Warum nicht?«, meinte Papa. »Die sind schließlich auch vor dem Kommunismus geflohen.«
    Ich war nie zuvor jemandem aus Russland begegnet, wusste aber, dass viele Polen »den Russen« verfluchten. Onkel Jork, der verstorbene Ehemann von Tante Selma, hatte großen Groll gegen sie gehegt. Als in der  UdSSR erstmalig ein Mensch ins All geschossen wurde, zeigte Onkel Jork nicht das geringste Interesse. »Weckt mich, wenn sie alle auf dem Mond sind«, soll er gesagt und gelangweilt das Radio abgedreht haben.
    Wir setzten unseren Erkundungsgang in der Gemeinschaftsküche fort, wo sich mittlerweile mehrere Polinnen verschiedenen Alters eingefunden hatten. Raunend strichen sie über fabrikneue Spülablagen und Herdplatten, eine knibbelte mit ihren langen Fingernägeln die Aufkleber von den Möbeln.
    »Im Moment soll es zu viele Aussiedler und zu wenige Wohnungen geben«, sagte eine Frau von üppiger Gestalt. »Die Sozialarbeiterin hat gesagt, dass wir ungefähr ein Jahr hier bleiben müssen.«
    »Ein Jahr, na, das halte ich schon aus«, entgegnete eine andere, deren Dutt von einem Netz zusammengehalten wurde, in dem lauter schwarze Perlen wie Fliegen saßen. »Wenn meine Familie aus Polen sehen könnte, wie ich hier in dieser Küche stehe … Die würden tot umfallen vor Neid!«
    »Auf diese erstklassigen Verhältnisse sollten wir anstoßen!«, schlug Mama vor. Die Idee wurde begeistert aufgenommen, und sofort trugen alle zusammen, was sie gerade an Essen und Trinken parat hatten. Papa machte sich die Mühe, im Aldi schnell einen Wein zu besorgen, und Mama brühte kräftigen Fusselkaffee auf.
    Am Ende des Umtrunks, als die Dämmerung die Raufasertapeten orange gefärbt hatte, kannte jeder Pole den anderen, und Papa hatte sich, wie es seine Art war, für alle Spitznamen ausgedacht. Wir wohnten Wand an Wand mit »Frau Dutt« und ihrem zahnlosen Ehemann »Goldkrönchen«. Neben ihnen war das ältere Ehepaar »Wihajster« untergebracht, die einen unaussprechlich langen, deutschen Nachnamen hatten. Sie teilten sich ihr Zimmer mit »Banane«, einem kränklich gelblichen Herren mit flachem Hinterkopf und hervorstehendem Kinn. Auf dem Flur gab es noch »Frau Schinken«, der das Fleisch wie bei einem Räucherschinken aus der engen Maschenbluse quoll, Herrn »Glatzenkamm«, der nur drei Haare über Kreuz hatte, und den »kleinen Stalin«, dem man eine gewisse Ähnlichkeit mit dem russischen Diktator nicht absprechen konnte. Schräg gegenüber von uns war »Frau Nagelfeilchen« untergebracht, eine junge hübsche Frau, die sich während des Kennenlern-Umtrunks allzu ausgiebig ihrer Maniküre gewidmet hatte. Sie war Mutter eines fünfjährigen Sohnes, den Papa »Profesorek« getauft hatte, weil er behauptete, durch seine stullendicken Brillengläser Pantoffeltierchen zu sehen. Tomek hatte bereits Freundschaft mit Profesorek geschlossen. Nur ich hatte noch keine Gesellschaft gefunden. Von Erwachsenen wurde ich übersehen, und

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