Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)
Natur, und es war so wunderbar warm, dass wir beschlossen, alle zusammen einen Ausflug in den Botanischen Garten zu machen.
Oma ging um den roten Opel herum, den Papa tatsächlich ›organisiert‹ hatte. Sie musterte ihn schmunzelnd, bevor sie auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
»Meine Hochachtung«, sagte sie, als wir schon eine Weile gefahren waren. »Ich hätte nicht gedacht, dass ihr eure Flunkereien so gut durchziehen könnt.«
»Flunkereien? Welche Flunkereien? Wovon redest du?«, fragte Mama mit bebender Stimme.
»Von eurer westlichen Limousine. Als ob ich nicht wüsste, dass der Wagen nicht euch gehört.«
»Du wusstest es?« Ich schrie fast vor Neugier.
»Ich bin doch nicht dumm«, bellte Oma und erklärte dann in einem spöttisch-amüsierten Ton: »Ich kann mich nicht daran erinnern, dass auf den Fotos, die ihr mir geschickt habt, ein ›Baby an Bord‹-Aufkleber zu sehen war. Wenn ihr also nicht ein vor kurzem geborenes Enkelkind im Kofferraum versteckt, kann das Auto nur einem anderen gehören.«
Die restliche Fahrt über herrschte im Opel betretenes Schweigen.
Die exotische Pflanzenwelt im Botanischen Garten stimmte Oma versöhnlich, auch wenn vergnügter Hohn immer noch ihre Lippen umspielte. Wir setzten uns an einen runden Betontisch, und Mama packte YES-Törtchen und Flirt-Dosen aus.
»Hast du denn schon eine Arbeit gefunden, Paweł?«, fragte Oma unvermittelt, während sie die wohlgeformten Beine übereinanderschlug.
»Er kann sich nicht bewerben«, antwortete Mama für Papa, der mit gesenktem Kopf dasaß und bedauernd die Schultern nach oben zog. »Weil er nicht in der Lage ist, etwas Gutes über sich zu sagen.«
»Was? Mein eigener Schwiegersohn?« Oma machte große, theatralische Augen. »Paweł, es ist zwar nicht mein Blut, das durch deine Adern fließt, aber du bist Teil der Familie und kannst von mir lernen.«
»Was?«, fragte Papa niedergeschlagen.
»Stolz.«
»Wenn es nur um Stolz ginge«, sagte Papa. »Deutschen Arbeitgebern genügt es nicht, dass ich was von meinem Handwerk verstehe, sie erwarten, dass ich im Vorstellungsgespräch alles beschönige und übertreibe. Ich kann mich aber nicht verstellen, ich bin doch kein Affe.«
»Unsinn!«, rief Oma. »Das Wichtigste ist, dass du einen Fuß in die Tür bekommst. Manchmal muss man die albernen Spiele der anderen mitspielen, um zu kriegen, was man will. Adelbert war Matrose, obwohl er nicht schwimmen konnte.«
»Opa konnte nicht schwimmen?«, fragte ich erstaunt.
»Was glaubst du, warum er ertrunken ist, der Trottel?«, lachte sie. »Dein Opa hatte solche Angst vor Wasser, dass er schon losjaulte, wenn er einen Waschzuber sah. Aber wisst ihr, was größer war als diese dämliche Angst? Sein Wunsch, an Bord eines echten Schiffes zu gehen und ein Stück von der Welt zu sehen.«
»Das hätte auch schiefgehen können«, wandte Papa ein. »Was, wenn man ihn bei der Marine ins Wasser geworfen hätte?«
»Dann wäre er eben früher ertrunken und ich wäre ein Filmstar geworden wie Marlene Dietrich. Stattdessen haben wir geheiratet, meine Lebenschancen waren verspielt, und Adelbert musste stadtbekannter Millionär werden, um der Familie Ansehen zu verschaffen.«
»Nicht diese Geschichte, Mutter«, seufzte Mama und hielt sich die Hand vor die Augen, während Papa und ich gebannt lauschten, was Oma uns wohl zu erzählen hatte.
»Nachdem Adelbert über Nacht Lotto-Millionär geworden war, hat er damit überall so geprahlt, dass es in unserem Haus zuging wie in der Straßenbahn. Alle zwei Minuten hat es geklingelt. Wir hatten mehr falsche Freunde als der Bürgermeister.«
Ich war baff.
»Hat Opa wirklich im Lotto gewonnen?«, fragte ich.
»Freilich. Nur ausgerechnet bei den sechs Richtigen hatte er vergessen, den Lottoschein abzugeben. Aber das verschwieg er.«
Papa lachte zum ersten Mal seit Wochen.
»Was für ein Schlitzohr«, sagte er, halb zu sich selbst. »Aber immerhin war er adliger Abstammung, oder? Onkel Ewald hat mir mal den Familienstammbaum gezeigt.«
»So ein Blödsinn!«, schrie Oma wieder. »Vor dem Krieg hieß er Wojtek, dann haben die Deutschen ihn in Adelbert umbenannt, und seitdem brüstete er sich mit adliger Abstammung. Blaues Blut, dass ich nicht lache. Wenn Adelbert von seinem Stammbaum runterfiele, würde er sich nicht mal blaue Flecken holen.«
Papa kratzte sich das Kinn und schien sich in aufwühlende Gedanken zu vertiefen.
»Weißt du eigentlich schon, wie lange du bleibst?«, fragte Mama Oma, die
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