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Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition)

Titel: Sitzen vier Polen im Auto: Teutonische Abenteuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Tobor
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Hupe drückte. Dominik tippelte unruhig hin und her, als würden sich Engelchen und Teufelchen auf seinen Schultern zanken.
    »Alles paletti«, sagte er kurz entschlossen. Diesmal nahm er den Ranzen ab, bevor er einstieg.
    Obwohl Licht in den Fenstern brannte, wirkte die Baracke gespenstisch. Keine Satellitenschüsseln standen von ihr ab, und es hingen keine Geranien von den schmutzigen Wänden. Für jemanden, der uns zum ersten Mal besuchte, musste sie aussehen wie ein Toilettenhaus an der Autobahn.
    Dominik zog eine graue Tropfspur hinter sich her, und seine speckigen Turnschuhe schwappten vor Nässe, als wir den Flur entlangliefen. Papa steckte den Kopf kurz durch die Tür unseres Zimmers und wechselte einige Worte mit Mama, bevor wir hereingelassen wurden.
    »Witamy« , sagte Mama mit Überschwang in der Stimme.
    »Danke, gut«, nuschelte Dominik, der nicht wissen konnte, dass er mit einem simplen »Willkommen« begrüßt worden war.
    Er setzte sich auf das improvisierte Sofa und blickte unsicher umher. Oma, die auf ihrem Lieblingsstuhl saß und ein Taschentuch bestickte, musterte ihn neugierig hinter ihrer Lesebrille, die ihrem Gesicht einen noch strengeren Ausdruck verlieh. Dominik wich ihrem Blick aus und starrte stattdessen auf die vielen übereinandergelegten Teppiche unter seinen Füßen.
    »Der sieht ja aus wie ein feuchtes Huhn!«, stellte Oma lachend fest. »Gebt dem Jungen trockene Klamotten.«
    »Ich gehe rüber zu Ogórkowa«, sagte Mama. »Vielleicht werden ihm die Sachen von Bajtek passen.«
    Sie kam bald mit einer Hose und einem Pullover wieder, dann zeigte sie Dominik das Bad, wo er sich umziehen konnte.
    »Netter kleiner Schwabe«, nuschelte Oma, die alle Deutschen »szwaby« nannte. Während Dominiks Abwesenheit sah ich mir unser Zimmer an, als sähe ich es zum ersten Mal. Eine ausgespülte Heringwanne diente uns als Zuckerdose, ein umgedrehter Blumentopf dem Kassettenrekorder als Abstellort.
    »Gleich gibt’s pierogi «, sagte Mama, als Dominik wiederkam.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte er mich verunsichert.
    »Dass es gleich Essen gibt. Pierogi .«
    »Hä?«
    » Pierogi , mit Pilzen und heißer Butter.«
    »Kenn ich nicht.«
    »Schmeckt gut«, beruhigte ich ihn. »Was willst du trinken? Tee? Oder Apfelsaft? Wir haben auch Wasser. Oder willst du eine Kindercola? Unsere Nachbarin hat Kindercola. Ich kann sie fragen, ob …«
    »Schorle!«, sagte Dominik entschlossen.
    »Was ist das?«
    »Was? Du kennst Schorle nicht?«
    »Nie gehört.«
    »Hahaha! Wie kann man das nicht kennen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Dominik sprang auf und griff zur Mineralwasserflasche und zum Apfelsaft, die beide auf dem Tisch standen. Das Glas, das ich ihm gereicht hatte, füllte er nur zur Hälfte mit Apfelsaft, dann goss er bis zum Rand Mineralwasser nach, bis das Glas fast überschwappte.
    » DAS ist Schorle«, sagte er stolz.
    »Soso, die Deutschen sparen also auch«, hörte ich Oma unter der Nase murmeln. Indes kam Mama mit zwei dampfenden Tellern pierogi herein und stellte sie auf den Tisch.
    »Papa und ich gehen kurz einkaufen«, sagte sie. »Wir haben für unseren Gast nichts mehr zu naschen. Wie heißt dein Freund eigentlich?«
    »Keine Ahnung, wie mein Freund heißt«, sagte ich trotzig. »Der Typ hier heißt jedenfalls Dominik.«
    »Dominik, schöner Name«, sagte Mama.
    Während wir die pierogi verputzten, sah Oma unserem Appetit mit Wohlgefallen zu.
    Sobald meine Eltern das Zimmer verlassen hatten, fiel Oma etwas ein: »Ach, die hätten gar nicht losgehen müssen. Ich habe doch aus Polen ein paar Tüten kisiel mitgebracht.«
    Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Kisiel , der besonders gut schmeckte, wenn es draußen kalt und nass war, hatten wir bislang in keinem deutschen Supermarkt finden können.
    »Ich mach euch am besten einen Topf, Kinder«, sagte Oma, bevor sie das Zimmer verließ.
    »Wieso gibt mir deine Familie dauernd zu essen?«, fragte Dominik. »Die kennen mich doch gar nicht.«
    »Weil du unser Gast bist«, entgegnete ich und wunderte mich, wie man nur etwas so Bescheuertes fragen konnte. Schließlich war es selbstverständlich, dass man einen Gast, wie wenig man ihn auch mochte, anständig bewirtete.
    »Wo ist eigentlich dein Zimmer?«, lautete Dominiks nächste dumme Frage.
    »Na, hier«, antwortete ich stutzig.
    »Hast du zwei Stockbetten ganz für dich alleine?«, fragte Dominik beeindruckt.
    »Nein. Da schlafen meine Eltern drin. Und Oma. Ich teile mir ein Bett mit meinem kleinen

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