Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
lassen.
Mein Dad hüstelte und verstreute geistesabwesend seinen Kartoffelbrei rings um denTeller. Lena erkannte, dass es eine gute Gelegenheit war, das Thema zu wechseln. »Ethan hat mir erzählt, dass Sie Schriftsteller sind, MrWate.Welche Art von Büchern schreiben Sie denn?«
Mein Dad schaute sie an, aber er sagte keinWort.Wahrscheinlich hatte er nicht einmal bemerkt, dass Lena mit ihm gesprochen hatte.
»Mitchell schreibt gerade ein neues Buch. Es ist ein wichtiges Buch. Vielleicht sogar das wichtigste, das er je geschrieben hat. Und Mitchell hat viele Bücher geschrieben. Wie viele sind es denn nun schon, Mitchell?«, fragte Amma in einemTon, als spräche sie mit einem Kind. Sie wusste genau, wie viele Bücher meinVater geschrieben hatte.
»Dreizehn«, murmelte er.
Lena ließ sich von den abschreckenden Umgangsformen meinesVaters nicht entmutigen, wohl aber ich. Ich blickte ihn an, sein Haar war ungekämmt und er hatte Ringe unter den Augen. Seit wann sah er so furchtbar schlecht aus?
Lena ließ nicht locker. »Wovon handelt Ihr Buch?«
Das Leben kehrte in meinenVater zurück, zum ersten Mal an diesem Abend. »Es ist eine Liebesgeschichte. Ich habe wirklich lange gebraucht für diesen Stoff. Es wird ein großer amerikanischer R o man. Man könnte sagen, der krönende Höhepunkt meiner Karriere, aber ich kann noch nicht über die Handlung sprechen, nicht wirklich. Jedenfalls nicht jetzt. Nicht wenn ich so dicht an …« Seine Gedanken schweiften ab. Dann hörte er auf zu reden, als hätte jemand einen Schalter in seinem R ücken umgelegt. Er starrte auf den leeren Stuhl meiner Mutter, während sein Geist wieder wegdämmerte.
Amma schaute sorgenvoll.Tante Caroline versuchte, die anderen abzulenken, aber dies hier wurde immer unaufhaltsamer zur entsetzlichsten Nacht meines Lebens. »Aus welcher Gegend, Lena, bist du hierhergezogen?«, fragte sie hastig.
Ich hörte nicht, was Lena antwortete. Ich hörte gar nichts mehr. Stattdessen lief vor meinen Augen alles wie in Zeitlupe ab. Die Bilder verschwammen, wurden größer, wurden kleiner, so wie Hitzewellen, die durch die Luft wabern.
Und dann …
Mit einem Mal war alles wie festgefroren, nur dass es nicht gefroren war. Ich war erstarrt. MeinVater war erstarrt. Er hatte die Augen zusammengekniffen, die Lippen gespitzt, um etwas zu sagen, doch sein Mund kam nicht dazu, den Laut zu formen. MeinVater blickte auf denTeller Kartoffelbrei, der unberührt vor ihm stand. Die Schwestern,Tante Caroline und Marian waren wie Statuen. Sogar die Luft im Raum bewegte sich nicht. Das Pendel der alten Standuhr war mitten im Schwung stehen geblieben.
Ethan, ist alles in Ordnung mit dir?
Ich wollte Lena antworten, aber ich konnte es nicht. Als Ridley mich in ihrer tödlichen Umklammerung gefangen hatte, war ich sicher gewesen, ich würde erfrieren. Nun war ich erfroren, aber mir war nicht kalt und ich war nicht tot.
»Hab ich das getan?«, fragte Lena laut.
Amma war die Einzige, die ihr antworten konnte.
»Einen Zeitzauber gewirkt? Du? Ebenso gut könnte dieserTruthahn einen Alligator ausbrüten.« Sie schnaubte. »Nein, das warst nicht du, mein Kind. Das war etwas, das größer ist als du. Die Ahnen sind der Meinung, dass wir uns mal unterhalten sollten, von Frau zu Frau. Niemand kann uns jetzt hören.«
Außer mir. Ich kann euch hören.
Aber dieWorte blieben stumm. Ich hörte, wie die beiden redeten, aber ich selbst brachte keinen Laut hervor.
Amma blickte zur Decke hinauf. »Ich danke dir,Tante Delilah. Danke für die Hilfe.« Sie ging zum Buffet und schnitt ein Stück von der Kürbispastete ab. Dann legte sie das Stück auf einen feinen Porzellanteller und stellte ihn in die Mitte des Tisches. »Ich schenke dir und allen Ahnen dieses Stück und ich rufe dich als Zeugin dafür an.«
»Was ist hier los?Was haben Sie mit ihnen gemacht?«
»Ich habe gar nichts getan. Ich habe uns nur etwas Zeit erkauft, schätze ich.«
»Sind Sie eine Caster?«
»Nein, ich bin eine Seherin. Ich sehe, was man sehen muss, was niemand sonst sieht oder sehen will.«
»Haben Sie die Zeit angehalten?« Caster konnten die Zeit anhalten, das hatte Lena mir erzählt. Aber nur die mächtigsten von ihnen.
»Ich hab rein gar nichts gemacht, nur die Ahnen um ein klein wenig Unterstützung gebeten. UndTante Delilah hat mir diesen Gefallen getan.«
Lena schaute verwirrt, vielleicht auch verängstigt. »Wer sind die Ahnen?«
»Die Ahnen, das ist meine Familie aus der Anderwelt. Sie helfen mir
Weitere Kostenlose Bücher