Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
dem Mond gesagt. Wir müssen herausfinden, was es zu bedeuten hat. Wir müssen die Geister befragen.«
»Wenn etwas mit meinen Augen ist, dann liegt das daran, dass ich vom Blitz getroffen wurde.«
»Was habt Ihr gesehen?«, fragte Ivy entsetzt.
»Ivy, was ist los? Warum benimmst du dich so seltsam?«
»Ihr seid nicht vom Blitz getroffen worden. Es war etwas anderes.«
Ivy rannte in Richtung der brennenden Baumwollfelder. Genevieve rief ihr nach, sie versuchte, auf die Füße zu kommen, aber alles um sie herum drehte sich. Sie ließ den Kopf in den zähen Schlamm zurückfallen und der Regen lief ihr unaufhörlich übers Gesicht. Die Tropfen vermischten sich mit den Tränen ihrer Niederlage. Ihr Zeitgefühl und ihr Bewusstsein spielten ihr einen Streich. Sie hörte Ivys Stimme, schwach und weit entfernt, sie rief ihren Namen. Plötzlich stand die alte Frau neben ihr, sie hatte ihren Rocksaum hochgerafft.
In den Falten ihres Kleids trug sie etwas, das sie auf den feuchten Boden neben Genevieve fallen ließ. Es waren kleine Röhrchen mit Pulver und Flaschen mit Sand und Erde.
»Was machst du da?«
»Ich bringe den Geistern ein Opfer. Sie sind die Einzigen, die uns sagen können, was das alles zu bedeuten hat.«
»Ivy, beruhige dich wieder. Du redest wirr.«
Die alte Frau zog etwas aus ihrer Schürzentasche. Es war ein Stück von einem zerbrochenen Spiegel. Sie warf es vor Genevieve hin.
Trotz der Finsternis sah Genevieve, dass ihre Augen loderten wie Feuer. Früher waren sie dunkelgrün gewesen, jetzt hatten sie sich in flammendes Gold verwandelt. Und auch sonst hatten sich ihre Augen verändert. In der Mitte war statt einer runden schwarzen Pupille ein mandelförmiger Schlitz wie bei den Augen einer Katze. Genevieve schleuderte den Spiegel zur Seite und sah Ivy an.
Aber die alte Frau beachtete sie nicht. Sie hatte die Pülverchen mit der Erde vermischt, ließ sie von einer Hand in die andere rinnen und flüsterte dabei vor sich hin in der alten kreolischen Sprache ihrer Vorväter.
»Ivy, was tust …«
»Psst«, zischte die alte Frau. »Ich höre zu, was die Geister sagen. Sie wissen, was Ihr getan habt. Sie werden uns offenbaren, was es zu bedeuten hat.«
»Von der Erde, in der ihre Gebeine ruhen, und vom Blut meines Blutes.« Ivy stach sich mit der Spiegelscherbe in den Finger und ließ drei Blutstropfen in die Erde rinnen, die sie von einer Hand in die andere rieseln ließ. »Lasst mich hören, was ihr hört. Sehen, was ihr seht. Wissen, was ihr wisst.«
Ivy erhob sich, breitete die Arme zum Himmel aus. Der Regen prasselte auf sie nieder, der Schmutz lief in Bächen an ihr hinunter. Sie sprach wieder in dieser fremden Sprache und dann …
»Das kann nicht sein. Sie wusste es doch nicht besser«, jammerte sie in den finsteren Himmel.
»Ivy, was ist?«
Ivy zitterte am ganzen Leib. Sie schlang die Arme um sich und stöhnte. »Das kann nicht sein. Das kann nicht sein.«
Genevieve packte Ivy an den Schultern. »Was ist denn los? Was ist mit mir?«
»Ich habe Euch gesagt, Ihr sollt die Finger von dem Buch lassen. Ich habe Euch gesagt, es ist nicht die richtige Nacht für Magie. Jetzt ist es zu spät, Kindchen. Jetzt kann es nicht mehr ungeschehen gemacht werden.«
»Wovon sprichst du?«
»Ihr seid verflucht, Miss Genevieve. Ihr seid berufen. Ihr habt Euch gewandelt, und es gibt nichts, womit wir das ungeschehen machen können. Es ist ein Handel. Man bekommt nichts vom Buch der Monde , wenn man nicht etwas zurückgibt.«
»Was? Was habe ich denn gegeben?«
»Euer Schicksal. Euer Schicksal und das Schicksal jener Kinder, die nach Euch in der Duchannes-Familie geboren werden.«
Genevieve begriff nicht ganz. Aber sie verstand genug, um zu wissen, dass das, was sie getan hatte, nicht mehr rückgängig zu machen war. »Was meinst du damit?«
»Am sechzehnten Mond im sechzehnten Jahr wird sich das Buch holen, was man ihm versprochen hat. Was Ihr mit ihm abgemacht habt. Das Blut eines Duchannes. Und dieses Kind wird auf die Dunkle Seite gehen.«
»Jedes Kind aus unserer Familie?«
Ivy ließ den Kopf sinken. Genevieve war nicht die Einzige in dieser Nacht, die eine Niederlage erlitten hatte. »Nicht jedes.«
Genevieve schöpfte neue Hoffnung. »Welche? Wie sollen wir wissen, welche es sind?«
»Das Buch wird die Wahl treffen. Am sechzehnten Mond, wenn das Kind sechzehn wird.«
»Es hat nicht funktioniert.« Lenas Stimme klang gepresst, wie von sehr weit her. Ich sah nichts als Rauch, aber ich hörte
Weitere Kostenlose Bücher