Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
Ahnung, was ich ihr sagen wollte. Vielleicht erwartete ich, dass sie sich bei mir bedanken würde. Aber sie sagte keinWort, während sie ihre Bücher in den R ucksack packte.
156. Das war es, was sie auf ihren Handrücken geschrieben hatte.
Eine Zahl und sonst nichts.
Lena Duchannes sprach keinWort mit mir, nicht an diesemTag, nicht in dieserWoche.Was aber nicht bedeutete, dass ich nicht an sie dachte oder sie nicht überall sah, wo ich nicht hinschauen wollte. Da war aber noch etwas anderes, was mich umtrieb. Es war nicht die Art undWeise, wie sie aussah – ziemlich hübsch, wie ich fand, auch wenn sie immer die falschen Klamotten trug und diese ausgelatschtenTurnschuhe. Es war auch nicht das, was sie im Unterricht sagte – gewöhnlich Dinge, auf die ein anderer niemals gekommen wäre, und wenn doch, hätte er niemals gewagt, sie laut auszusprechen. Es war auch nicht, weil sie ganz anders war als alle anderen Mädchen in Jackson. Das sah man ja auf den ersten Blick.
Es war, weil ich durch sie erkannte, dass ich um keinen Deut besser war als die anderen, selbst wenn ich gerne so getan hätte, als wäre es nicht so.
Den ganzenTag über hatte es geregnet, und ich saß in Töpfern, auch EG , »Eins garantiert«, genannt, weil in diesem Kurs die Mühe allein belohnt wurde. Ich hatte mich im vergangenen Frühjahr dafür eingetragen, weil ich noch ein paar Kunststunden brauchte und auf keinen Fall bei der Band mitspielen wollte, die einen Stock tiefer geräuschvoll übte, unter Anleitung der wahnsinnig dürren und vor Begeisterung ausflippenden Miss Spider. Savannah setzte sich neben mich. Ich war der einzige Junge im Kurs, und weil ich ein Junge war, hatte ich keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte.
»Heute experimentieren wir nur. Ihr bekommt keine Noten darauf. Spürt denTon. Lasst euren Gedanken freien Lauf. Und hört nicht auf die Musik von unten.« Mrs Abernathy stöhnte auf, als die Band ein Stück, das vermutlich ein Dixie sein sollte, gnadenlos niedermachte.
»Greift tief hinein. Spürt denWeg zu eurer Seele.«
Seufzend klatschte ich denTon auf die Töpferscheibe. Das war beinahe genauso schlimm wie der Orchesterkurs. Dann, als es im Raum stiller wurde und das Summen der Töpferscheiben das Schwätzen aus den hinteren R eihen übertönte, war auch von unten eine andere Musik zu hören. Ich hörte eine Violine spielen, vielleicht war es auch eine von diesen größeren Violinen, eine Bratsche oder so. Es hörte sich wunderschön und traurig zugleich an und es war sehr verwirrend. Diese tiefen Tönen, die einfache Melodie, das alles verriet mehr Begabung und einen besseren Musiker, als Miss Spider je dasVergnügen hatte zu dirigieren. Ich sah mich um. Niemand sonst schien die Musik zu hören.
Die Melodie ging mir unter die Haut. Ich erkannte sie wieder, und sofort hörte ich in Gedanken denText, so klar und deutlich wie auf meinem iPod. Aber diesmal war er ein wenig verändert.
Sixteen moons, sixteen years
Sounds of thunder in your ears
Sixteen miles before she nears
Sixteen seeks what sixteen fears …
Ich starrte auf den Lehm, der vor mir im Kreis wirbelte, und der Klumpen verschwamm vor meinen Augen. Je mehr ich versuchte, mich auf ihn zu konzentrieren, desto mehr löste sich alles um ihn herum auf, bis das ganze Klassenzimmer sich mitdrehte und mein Tisch, mein Stuhl dazu. Als wäre alles eins, gefangen in einem unaufhörlichen Wirbel, der sich zum Rhythmus der Melodie drehte, die von unten aus dem Musiksaal heraufdrang. Langsam streckte ich die Hand aus und berührte den Lehm mit der Fingerspitze.
Dann gab es einen Blitz und der wirbelnde Raum löste sich auf und ich sah ein anderes Bild vor mir …
Ich stürzte.
Wir stürzten.
Ich war wieder in meinemTraum. Ich sah ihre Hand. Ich sah, wie meine Hand nach der ihren griff, meine Finger gruben sich in ihre Haut, in ihr Handgelenk, in dem verzweifelten Bemühen, sie festzuhalten. Aber sie entglitt mir, ich spürte es, ihre Finger rutschten aus meiner Hand.
»Lass nicht los!«
Ich wollte ihr helfen, ich wollte sie festhalten. Mehr als alles andere wollte ich das. Und dann glitten ihre Finger weg …
»Ethan, was machst du da?«, fragte Mrs Abernathy beunruhigt.
Ich schlug die Augen auf, versuchte, mich zu konzentrieren, versuchte, wieder in die Klasse zurückzufinden. Seit meine Mutter gestorben war, hatte ich nun schon diesenTraum, aber zum ersten Mal hatte ich ihn am helllichtenTag geträumt. Ich starrte auf meine grau verschmierte
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