Sixteen Moons - Eine unsterbliche Liebe
worauf Marian keinen Einfluss hatte.
»Beschwert euch bei der Stadt. Wie schon gesagt, die R egeln bestimme nicht ich.«
Ich fragte mich, welche Stadt sie wohl meinte – die Stadt, in der ich mein bisheriges Leben verbracht hatte, oder die Stadt, die mir genauso lange verborgen geblieben war.
Aber Lena schien Hoffnung geschöpft zu haben. Zum ersten Mal schien sie daran zu glauben, dass es vielleicht doch eine Möglichkeit gab, einem Schicksal zu entgehen, das sie für unausweichlich gehalten hatte. Marian konnte uns keine Antworten geben, aber sie gab uns den größten Halt, jetzt da die beiden Menschen, denen wir am meisten vertraut hatten, Amma und Macon, zwar da waren, aber unerreichbar fern schienen. Ich sagte Lena keinWort davon, aber ohne Amma fühlte ich mich hilflos und verloren. Und ohne Macon, das wusste ich genau, war Lena mehr als nur hilflos und verloren.
Marian überließ uns trotz allem etwas, nämlich die Briefe von Ethan und Genevieve, die so alt und brüchig waren, dass man fast durch sie hindurchsehen konnte, und auch alles andere, das sie und meine Mutter über die beiden herausgefunden hatten. Es war ein Stoß Papier in einer staubigen braunen Schachtel, deren Seitenwände so bedruckt waren, dass sie aussahen wie Holz. Obwohl Lena es liebte, sich in die Briefe zu vertiefen – »die Tage ohne dich fließen dahin, und so wird die Zeit zu einem weiteren Hindernis, das wir überwinden müssen « –, schien die Sache im Grund nur auf eine Liebesgeschichte mit einem wirklich schlimmen Ende hinauszulaufen. Das war alles, was wir hatten.
Um weiterzukommen, mussten wir herausfinden, wonach wir eigentlich suchten.Wo die Nadel im Heuhaufen oder, in diesem Fall, in der Schachtel war. Also taten wir das Einzige, was wir tun konnten. Wir suchten.
Nach zweiWochen hatten Lena und ich mehr Zeit mit den Aufzeichnungen verbracht, als wir je für möglich gehalten hätten. Und je länger wir in diesen Briefen lasen, desto mehr kam es uns vor, als läsen wir unsere eigene Geschichte. Nachts blieben wir lange wach, um die Geheimnisse von Ethan und Genevieve zu lüften, eines Sterblichen und einer jungen Caster, die um jeden Preis beieinander sein wollten, seien die Hindernisse auch noch so unüberwindlich.Tagsüber in der Schule mussten wir unsere eigenen Hürden überwinden, die darin bestanden, die acht Unterrichtsstunden zu überstehen, was uns zunehmend schwerer fiel. Denn jedenTag gab es eine neue List, um Lena zu vergraulen und uns auseinanderzubringen. Besonders an einemTag wie Halloween.
Überhaupt war Halloween ein bedeutungsschwererTag an der Jackson High. Für Jungs war alles, was mit Kostümierung zusammenhing, eine unvermeidliche Katastrophe. Und dann hatte man ja auch noch den Stress, ob man es schaffte, zu Savannah Snows jährlicher Fete eingeladen zu werden. Aber der Stress zu Halloween nahm noch eine ganz andere Qualität an, wenn es sich bei dem Mädchen, nach dem man verrückt war, um eine Caster handelte.
Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukam, als Lena mich ein paar Blocks von zu Hause entfernt zur Schule abholte, sicher verborgen vor den Augen, die Amma auch im Hinterkopf hatte.
»Du hast dich nicht verkleidet«, sagte ich erstaunt.
»Wovon redest du?«
»Ich dachte, vielleicht kostümierst du dich auch.« Im selben Augenblick, in dem dieWorte über meine Lippen kamen, wusste ich, dass ich mich anhörte wie ein Idiot.
»Ach, du glaubst, Caster verkleiden sich an Halloween und fliegen auf Besenstielen herum?« Sie lachte.
»Ich wollte nicht …«
»Tut mir leid, da muss ich dich enttäuschen. Wir werfen uns nur zum Abendessen in Schale, so wie wir es an jedem anderen Feiertag auch machen.«
»Also ist Halloween für euch ein Feiertag?«
»Es ist die heiligste Nacht im ganzen Jahr und auch die gefährlichste – der wichtigste unserer vier großen Feiertage. Halloween ist unser Neujahrsabend, das Ende eines alten und der Beginn eines neuen Jahres.«
»Und warum ist dieser Abend gefährlich?«
»Meine Großmutter sagt, an diesem Abend ist der Schleier zwischen der diesseitigenWelt und der Anderwelt, derWelt der Geister, am dünnsten. Es ist eine Nacht der Kraft und eine Nacht des Erinnerns.«
»Die Anderwelt? Ist das so eine Art Leben nach demTod?«
»So ähnlich. Es ist das R eich der Geister.«
»Also hat Halloween tatsächlich etwas mit Geistern und Gespenstern zu tun?«
Sie verdrehte die Augen.
»Wir gedenken der Caster, die verfolgt wurden, weil sie anders waren,
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