Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
niederländische Künstler, Jan van Eyck und Roger van der Weyden, der Lobpreisung für wert. Dieser flämische Stil beeinflusste auch die Anfänge Antonellos da Messina, des einzigen großen Künstlers, den Sizilien in dieser Zeit hervorbrachte; auch er fand nach Anfangsjahren in seiner Heimat ein adäquateres Tätigkeitsfeld in Norditalien.
|125| Der Palast des Herzogs von Santo Stefano in Taormina ist nicht, wie ähnliche Residenzen im Florenz derselben Zeit, in den wiederentdeckten Formen der Antike gestaltet, sondern gotisch und arabisch zugleich geprägt.
Doch nicht nur in Sachen Kunst und Kultur, auch politisch hatte Sizilien seit dem Beginn des 15. Jh. weit geringeren Anteil an der teils produktiven, teils destruktiven Unruhe und Experimentierfreudigkeit, die das nördliche und mittlere Italien in der Renaissance auszeichnete. Wurden hier nicht nur neue Stile, Ausdrucksformen und Gattungen in den bildenden Künsten und in der Literatur erprobt, sondern auch neue Staaten erobert und verloren, erweitert oder ausgetauscht, so stellt sich die sizilianische Geschichte bis zur Zeit Napoleons, zumindest aus der Vogelperspektive betrachtet, als ein großes Fließen dar. Damit ist nicht Konfliktlosigkeit im Innern oder ungebrochene Kontinuität auf der höchsten Machtebene gemeint – im Gegenteil: Ganz unten und ganz oben gab es reichlich Zündstoff –, sondern die Stabilität des Machtgefüges im Ganzen. Mit großer Regelmäßigkeit flackerten in den verschiedenen Regionen der Insel Aufstände gegen neu eingeführte Abgaben oder als unrechtmäßig betrachtete feudale Gefälle beziehungsweise besonders verhasste Feudalherren |126| oder Pächter auf, doch diese Erhebungen stellten maximal die Legitimität einzelner Personen und Familien sowie von diesen getroffene Maßnahmen, nicht jedoch die sozialen Hierarchien und die auf ihnen beruhenden Verhältnisse von Macht und Einfluss in Frage. Und auch die Dynastien kamen und gingen, ohne dass sich außer der unvermeidlichen Auswechslung einzelner Familien einschneidende Veränderungen vollzogen. Keiner der neuen Machthaber konnte es wagen, die Vorrechte des Adels oder auch nur die gewachsenen Vorrechte von städtischen Korporationen und Zünften in Frage zu stellen – jede weiter reichende Verschiebung bedeutete Unruhe und damit eine Gefährdung des mühsam austarierten Gleichgewichts von Rang und Ansehen.
Der von Matteo Carnelivari um geschaffene Palazzo Abatelli in Palermo zeigt erstmals Reflexe der Renaissance-Architektur auf der Insel.
Stabilität im Großen, Labilität im Kleinen: Diese Grundformel kennzeichnete von jetzt an, ungeachtet aller Veränderungen im Einzelnen, Politik und Gesellschaft Siziliens bis weit ins 19. Jh. hinein – der viel zitierte (und oft missverstandene) Satz des Fürsten von Salina in Giuseppe Tomasi di Lampedusas Sizilien-Roman „Der Leopard“ galt lange vor den Erschütterungen und Umwälzungen |127| des Jahres 1860, die ihrerseits auch keinen einschneidenden Wandel bewirkten.
Wie sehr die Insel zur freien Verfügungsmasse ihres königlichen Herrn geworden war, zeigte sich bei Alfons’ Tod im Jahre 1458. Ohne vorher das Parlament zu konsultieren, trennte er Sizilien testamentarisch wiederum vom Festland ab. Dieses fiel an seinen natürlichen Sohn Ferrante, während der Rest des Imperiums an Johann, den Bruder des Verstorbenen, ging. Dieser dekretierte, kaum im Besitz des Königreichs, die unauflösliche Union Siziliens mit seinen spanischen Erblanden – erneut markierte die Straße von Messina eine politische Trennlinie. Allerdings durfte sich die Insel im Nachhinein glücklich schätzen, denn durch diese Anbindung entging sie den jahrzehntelangen inneren Unruhen im festländischen Süditalien und den Verwüstungen, die die nachfolgenden Kriege der Großmächte Spanien und Frankreich um das Königreich Neapel (wie man diesen Teil des alten Königreichs Sizilien jetzt nannte) zur Folge hatten. Schon am Ende der Regierungszeit Ferrantes (1458 –1494), der anfangs noch eine führende Rolle innerhalb der italienischen Machtkämpfe spielte, zeichnete sich dieser Niedergang ab, der sich unter seinen nur kurz regierenden Nachfolgern rapide beschleunigte. Am Ende versuchte sogar Papst Alexander VI., mit Familiennamen Rodrigo Borja und aus der Gegend von Valencia gebürtig, den Thron von Neapel für seine Familie zu gewinnen. Doch reichten seine Machtmittel nicht aus, um in der Konkurrenz mit Spanien und Frankreich zu bestehen.
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