Sizilien - eine Geschichte von den Anfaengen bis heute
über ihren mächtigen neuen Herrn nicht beklagen. Mächtig, doch nicht übermächtig, im Gegenteil: Die Loyalität der sizilianischen Barone honorierte Alfons wie schon seine Vorgänger dadurch, dass er ihre Autorität in ihren Lehen weiter stärkte. Längere Zeit unrechtmäßig okkupierte Gebiete wurden jetzt per Federstrich legitimes adeliges Eigentum, ja, die königliche Verwaltung und Rechtsprechung zog sich fast völlig aus dem Alltag der allermeisten Sizilianer zurück. Diese aristokratische Vereinnahmung betraf auch die Städte; allein Palermo und Messina vermochten ein Minimum kommunaler Selbstverwaltung zu behaupten, die sich allerdings zunehmend in leeren Riten und hohlen Proklamationen erschöpfte. Patronage und Prestige der hohen Aristokratie waren vollends unwiderstehlich geworden; wer nicht dazugehörte, setzte alle Mittel und Energien ein, um im Zuge eines generationenübergreifenden Aufstiegs Eingang in die Einfluss, Ehre und Privilegien monopolisierende Oberschicht zu erlangen.
Dafür standen die Zeichen ab der zweiten Hälfte des 14. Jh. nicht einmal schlecht. Die permanenten Kriege und die kaum minder regelmäßigen Epidemien hatten naturgemäß auch in die Reihen der Oberschicht Lücken geschlagen, die aufgefüllt werden mussten. Nachgeordnete Seitenzweige alter Familien, mit den spanischen Herrschern eingewanderte katalanische Sippen, Vertreter der großen nord- und mittelitalienischen Bankhäuser, doch auch reich gewordene Kaufleute aus Sizilien selbst erklommen im Laufe des 15. Jh. die soziale Stufenleiter bis in die oberen feudalen Ränge. Ein Austausch von Werten und Mentalitäten aber war damit nicht verbunden. Im Gegenteil: Die Neuankömmlinge zeigten sich, wie fast immer in solchen Fällen, aristokratischer als die alten Aristokraten selbst. Das hatte zur Folge, dass in Handel und Gewerbe reich gewordene Familien, war der adelige Rang erst einmal gewonnen, nichts Eiligeres |124| zu tun hatten, als diese „anrüchigen“ Berufe aufzugeben, und mehr noch, alles daransetzten, jegliche Erinnerung an diese statusabträglichen Ursprünge zu tilgen. Mehr denn je wurden die kommerziellen Aktivitäten auf der Insel zur Domäne der Ausländer. Neben Genuesen, Toskanern, Venezianern und Katalanen traten jetzt auch Engländer auf den Plan. Ihre Reeder, Kapitäne und Schiffe erschlossen sich im Laufe des 16. und 17. Jh. immer größere Anteile am lukrativen Handel mit den immer dringender benötigten Grundnahrungsmitteln Getreide und Wein.
Gab es eine „Renaissance“ im Süden Italiens? In Neapel berief Alfons, der als erster auswärtiger Herrscher Italiens die neue Macht der Bild- und Wortmedien entdeckt hatte, Maler, Bildhauer und vor allem herausragende Gelehrte an seinen Hof. In seinem Auftrag verfassten herausragende Historiker wie Lorenzo Valla und Bartolomeo Fazio Texte, die das Lob des „großmütigen“ Monarchen sangen und seine ordnende und befriedende Rolle im italienischen Mächtekonzert verherrlichten. Am Vesuv war somit Bedarf für die neue, an der Antike ausgerichtete Laienkultur des Humanismus, die auch in der Oberschicht der brodelnden Metropole Anklang und Aufnahme fand. In Sizilien aber war der soziale Nährboden für eine auf zielgerichtete Propaganda ausgerichtete Kulturförderung kaum vorhanden. Der Vizekönig war kein Herrscher aus eigenem Recht und residierte im Durchschnitt nicht einmal vier Jahre. Eine höfische Gesellschaft mit den ihr eigenen Konkurrenzmechanismen und damit ein Anreiz zu konzentrierter Prestigesteigerung mittels der neuen Medien waren so nicht gegeben. Der bei weitem einflussreichste Kern der Elite aus alten normannischen Familien und mächtigen katalanischen Sippen stand, seinem Selbstverständnis nach, da, wo er hingehörte und gemäß selbst geschaffener Legendenbildung immer schon gewesen war, nämlich im Zentrum von Macht und Einfluss – wozu dann neumodischer Firlefanz wie Paläste und Kirchen im neoantiken Stil oder gar neue Schlösser und Gemäldegalerien? Dieser konservativen Haltung entsprechend ist der Palast des Herzogs von Santo Stefano in Taormina gotisch und arabisch zugleich geprägt; traditionell bleiben auch die Spitzbögen des Palazzo Bellano in Syrakus.
Moderner fielen nur die Paläste aus, die Matteo Carnelivari in den letzten anderthalb Jahrzehnten des 15. Jh. in Palermo errichtete. Auch in der Malerei war der vorherrschende Geschmack im Süden anders. Bezeichnenderweise befand Fazio in seinen Biographien großer Männer zwei
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