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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Edinburgh kann mitunter trostlos sein, ist aber nichts im Vergleich mit Aberdeen. Hier könnte man problemlos ein Leben damit verschwenden, auf blauen Himmel zu warten. Trotzdem verbringe ich jetzt mehr Zeit hier oben und fahre nicht mehr so häufig nach Hause.
    Beim letzten Fronturlaub hab ich mir mit Matty, Spud und Keezbo bei Swanney die volle Skagdröhnung gegeben. Der Auftakt war eine Drogenparty bei Junkieveteran Dennis Ross in Scabbeyhill. Von dort aus sind wir dann – Gott allein weiß, wie – zu Johnny weitergezogen. Ich kann mich nur noch vage daran erinnern, dass ich Ewigkeiten meine Hosentaschen nach Paste fürs Taxi durchwühlt hab, während mir der Arsch von Fahrer die ganze Zeit die Ohren vollnölte. Erst am Tollcross bin ich wieder richtig zu Bewusstsein gekommen: Als die Sonne aufging und mit ihren brutal hellen Strahlen Johnnys Wohnzimmer durchflutete, wurden wir erbarmungslos in die Realität zurückkatapultiert, in der uns nicht nur unsere eigene Sterblichkeit, sondern auch all unsere Schwächen und Makel wieder einholten. Nachdem ich mich hochgekämpft hatte, schleppte ich mich zusammen mit Matty und Spud in die Roseburn Bar, wo wir die anderen Jungs trafen, um uns für das Derby in Stimmung zu bringen. Ein Teil von uns zog dann weiter die Haymarket hoch, um noch in ein paar anderen Kneipen zu tanken.
    Auf dem Weg zum Stadion begrüßten sich die Fangruppen mit jeder Menge Drohgebärden und einschüchternden Posen. Eine stabile Bullenkette unterband aber jegliche Auseinandersetzungen. Das Spiel selbst war nichts Besonderes, ein von Grunzen, Kampf und Schweiß bestimmtes torloses Unentschieden. Da ich ziemlich breit war, hab ich nicht viel von der Partie mitbekommen. Dennoch kann ich mich daran erinnern, dass die Hibs gegen Ende fast noch das Siegtor erzielt hätten: McBride lässt einen Jambo aussteigen und passt zu Gordon »Jukebox« Durie. Der spielt einen weiteren dieser kastanienbraunen Armleuchter aus und gibt den Ball an Steve Cowan ab. Der Torhüter liegt schon geschlagen am Boden, aber Cowans rechter Fuß drischt das Leder knapp am rechten Pfosten vorbei. Der Lolitastecher Sick Boy hatte sich zwar auch mit Skag weggeschossen, war aber während des Spiels trotzdem abgegangen wie ein Zäpfchen. Er hatte sogar die kleine Maria dabei, die echt noch ein bisschen jung für ihn ist und in der tosenden Menge durchgeknallter Fans ziemlich verloren wirkte.
    In der dritten Halbzeit zog Begbie ne krasse Nummer ab: Zusammen mit Saybo und ein paar anderen hat er ein paar Ärsche in Fountainbridge weggekloppt. Wenn der so weitermacht, wird er über kurz oder lang in Saughton einfahren. Hundertpro.
    Das Chaos in Edinburgh machte mir klar, wie lieb ich mein beschauliches Leben in Aberdeen gewonnen hatte. Der Kontrast führte mir vor Augen, dass meine Freigeist-Ambitionen ziemlicher Bullshit waren. Dort oben hatte ich Fiona, mein Studium, meine Spaziergänge. Im Grunde bestanden meine Tage in Aberdeen aus fein geregelter Routine, die mich aber in regelmäßigen Abständen derart ankotzte, dass ich immer wieder einen dramatischen Einschnitt brauchte. Ein Skagrausch wie der in Edinburgh half für gewöhnlich.
    Der Grund, warum die Trips in meine Heimatstadt immer seltener wurden: Ich hatte eine Skagquelle aufgetan. In Aberdeen lief ich viel herum, spazierte ohne Ende durch die Straßen, bei jedem Wetter. Auch wenn es ziellos wirken mochte, verschlug es mich immer wieder in die Gegend hinter dem Bahnhof, runter zu den Docks. Dort hielt ich inne und schaute zu, wie die großen Schiffe ausliefen, nach Orkney, Shetland und Gott weiß wohin. Spätestens auf der großen Hafenstraße Regent Quay kreiste stets ein Schwarm Möwen über mir und kreischte ohne Unterlass. Es kam mir manchmal so vor, als würden sie mich mit ihrem Gekrächze auslachen und wissen, wonach ich suchte, auch wenn ich selbst keinen blassen Schimmer hatte.
    Da unten am Hafen gab es diese Seefahrerkneipen: die Crown and Anchor Bar, die Regent Bridge Tavern (eine großartige kleine Kaschemme) und das Cutter Wharf. Mich zog es immer in eine schäbige Pinte namens Peep Peeps, die in einer Seitenstraße vom Regent Quay versteckt war. Da saß ich oft mit einem Lager, wollte eigentlich aber etwas ganz anderes. Ich wartete darauf , denn ich konnte es förmlich riechen. Ich bewegte mich nicht vom Fleck und lauerte in dem Wissen, dass es zu mir käme, wenn ich nur lang genug ausharren würde.
    Dort entdeckte ich ihn schließlich. Diesen Typen.

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