Skagboys 01
Mutterseelenallein saß er bei der Jukebox mit einer Financial Times vor dem Gesicht und einer ungeöffneten Pepsi auf dem Tisch. Lange schwarze Haare – fettig, oben bereits etwas dünn und hier und da mit grauen Stellen – rahmten ein ausgemergeltes Gesicht mit bläulich-transparenter Haut ein. Aus einer Ansammlung von Pickeln mit senffarbenen Eiterspitzen am Kinn hing ein dünner, strähniger Bart herab, und seine großen gelben Zähne sahen aus, als würden sie beim nächsten Niesen auf dem Tisch landen. Mit anderen Worten: Der Kerl stank von Kopf bis Fuß nach Dope. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich war ein adretter Studiarsch mit einer süßen Freundin. Ich konnte gar nicht nach Dope stinken. Mit meinen klaren Augen, der sauberen Haut und den weißen Zähnen, die ich Fiona zuliebe neuerdings sogar mit Zahnseide pflegte, konnte man es mir eigentlich nicht anmerken. Und trotzdem! Als er mich sah, wusste er sofort Bescheid. Auch ich wusste Bescheid, und so setzte ich mich neben ihn.
— Wie geht’s, Mann?, fragte er.
— Nich so toll. Bisschen krank. Es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden.
— Am Klappern?
Keine Ahnung, was genau das bedeuten sollte, aber es klang ziemlich treffend. Es war fast so, als hätte er mir durch seine Vermutung die Erlaubnis erteilt, mich beschissen zu fühlen. Vorher war es nur eine lose Ansammlung grippeähnlicher Symptome gewesen: schwere Glieder, Benommenheit, wässriger Schnupfen, wandernde Schmerzen. Jetzt schien mit einem Mal ein dringendes Bedürfnis hinter diesem Scheißgefühl zu stecken.
— Brauchste Medizin?
— Aye.
Don, so hieß der Typ nämlich, warf mir einen düsteren, geheimnisvollen Blick zu, wie ich ihn schon öfter bei älteren Skagheads bemerkt hatte. — Okay. Dann gehste jetzt raus un drehst ne kleine Runde umn Block. Wir treffen uns in zehn Minuten an den Toren der Docks, sagte er mit seiner nasalen Blechdosenstimme und vertiefte sich wieder in die Zeitung.
Tatsächlich wartete ich siebzehn Minuten, bevor Don sich endlich dazu herabließ, aus der Bar zu kriechen und in meine Richtung zu schlurfen. Er sah so beschissen aus, wie ich mich fühlte. Eigentlich war es unmöglich, dass ich nach nur einer Wochenend-Session schon körperlich abhängig sein sollte, aber ich fühlte, wie sich mein Geist und mein Körper nach einem Fix verzehrten. Ich bemühte mich nach Kräften, die überwältigende Gefühlsmischung aus Vorfreude und Verlangen zu verbergen, als wir um die Ecke zu seiner abgeranzten Bude gingen, um den Deal zu machen.
Dons Wohnung hätte auch die von Swanney, Dennis Ross, Mikey Forrester oder die von Sick Boy und mir in der Monty Street sein können. An den Wänden hingen die gleichen Poster – notdürftig befestigt auf sich ablösenden Tapetenbahnen mit irrwitzigen Mustern, die längst verstorbene Wichser vor Ewigkeiten an die Wände geklatscht hatten –, und in den Ecken gammelten überquellende Mülleimer vor sich hin. In der Spüle stapelten sich chaotische Geschirrberge, die an erdbebengeplagte Mittelmeerstädte erinnerten, und auf dem Fußboden lagen ohne Ende Klamottenberge … Dons Hütte war eine klassische Junkie-Bude und wies die typischen Merkmale der Behausungen chronisch verpeilter Loser mit unstetem Lebenswandel auf.
Während der Gastgeber für uns beide Dope aufkochte, klopfte ich an meinem rechten Arm eine Vene oberhalb des Handgelenks hervor, wo ich mir dann auch das Skag reindrückte. Es war ziemlich guter Stoff, und der Rush war anständig. Nach und nach durchzog er meinen Körper. Ich öffnete mich und blühte auf wie eine Frühlingsblume. Als die fruchtig-sauer schmeckende Masse aus meinem Magen nach oben stieg, würgte ich heftig, und Don hielt mir eine alte Financial Times unters Gesicht. Ich schob sie beiseite. Den Brechreiz überwunden, war ich nun unbesiegbar.
Ich wollte nichts weiter, als mich zurücklehnen und das Dope in meinen Adern genießen, das sogar ausgemachte Scheiße wie Dons Grateful-Dead-Tape erträglich machte. Mein Gastgeber bestand allerdings darauf, sich zu unterhalten. Sogar nach seinem Fix – eine beachtliche Ladung, die allerdings keine allzu große Wirkung auf ihn zu haben schien – war er noch in Laberlaune. Ich fragte mich, wie viel er sich wohl täglich in die Adern drückte. — Also … du bist n echter Edinburgher, was? Haufnweise gutes Dope habt ihr da unten.
— Aye, antwortete ich. Eigentlich wollte ich ihm erklären, dass wir uns in Leith nicht als Edinburgher
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