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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Rückzugsorte gar nicht so weit vom imposanten Marischal College der Aberdeen University entfernt. Es zog mich aber nur noch selten in die Zentren studentischen Lebens wie die Bar des Studierendenwerks. Eigentlich ging ich nur noch auf Drängen von Fiona oder Bisto hin, versuchte sie im Allgemeinen aber so gut es ging zu meiden. An Joannes Geburtstag hatte ich allerdings keine Wahl und musste mit. Das Geburtstagskind war schon etwas angetrunken, als es mich in einer größeren Runde in einem schnippisch anklagenden Tonfall ansprach: — Was machst du nur die ganze Zeit, Mark? Wo zum Henker treibst du dich immer rum?
    Irgendjemand in der Runde witzelte über den »mysteriösen Mark Renton«, und ich konnte sehen, wie Fiona mich anschaute und mit ihrem Blick um eine Antwort anflehte. Alle Augen waren mit einem Mal auf mich gerichtet. Ich lachte verlegen und sagte irgendwas Bescheuertes darüber, dass ich gern in der Stadt herumspazierte. In Wirklichkeit verbrachte ich den Großteil meiner Freizeit damit, in den Kneipen an den Docks herumzuhängen und auf Don zu warten.
    Es war Samstagmorgen, als Fiona das nächste Mal rumkam. Sie war zwar nicht naiv oder gar dämlich, aber wir lebten trotz unserer Nähe recht eigenständige Leben, sodass es nicht sonderlich schwierig für mich war, sie zu verarschen. Edinburgh war nahe genug, um ihr zu erzählen, dass ich aus irgendwelchen Gründen – meist aus Fürsorge für meine trauernde Familie – über Nacht nach Hause fuhr. In Wirklichkeit stahl ich mich in ein Viertel von Aberdeen davon, in das sich nur wenige Studenten oder Lehrkräfte verirrten, und lag zugedröhnt bis in die Haarspitzen auf Dons Couch. Dieses Mal allerdings schien mein Verhalten – am augenscheinlichsten war meine Abwesenheit in den Seminaren – ihren Verdacht zu bestätigen, dass etwas nicht in Ordnung war. — Mark … wo warst du. Ist alles in Ordnung mit dir?
    — Ich glaub, ich hab mir ne ziemlich böse Grippe eingefangen.
    — Du siehst schrecklich aus, Liebling. Ich geh runter und hol dir etwas Lemsip.
    — Kannst du mir vielleicht deine Aufzeichnungen vom Renaissance-Seminar kopieren?
    — Klar, auf jeden Fall. Du hättest mir sagen sollen, dass du krank bist, du Blödi, sagte sie, küsste meine schweißnasse Augenbraue und ging raus. Eine halbe Stunde später kam sie mit der Medizin zurück. Anschließend machte sie sich auf den Weg zu ihrer Arbeit. Ich wartete ein wenig, wollte aber so schnell wie möglich raus, um dem abgestandenen Geruch in meinem Zimmer zu entkommen, diesem ekelhaften chemischen Gestank, den ich selbst verströmte. Ich fragte mich, ob sie es nicht riechen konnte oder den Mief nur ignorierte. Wahrscheinlich Letzteres, denn mir machte die dicke Luft schwer zu schaffen! Eine halbe Minute später verließ ich das Wohnheimzimmer und folgte ihr die Straße hinunter.
    Samstags arbeitete Fiona als Volontärin mit sozial benachteiligten Kids. Diese rüpelhaften Straßengören liebten sie. Fiona brauchte sie nur anzusprechen, und die harte Fassade aus coolem Blick und lässigem Kaugummi bröckelte: Die Segelohrvisagen von Aberdeens zukünftigen Oberpsychopathen und Serienstraftätern liefen rot an, wenn Fiona ihnen etwas Aufmerksamkeit schenkte.
    Vor ein paar Wochen war ich ihr auf einem meiner Spaziergänge in der Stadt über den Weg gelaufen und hatte sie dabei beobachtet, wie sie ein paar dieser Krabben vor dem Lemon Tree traf. Sie sah glücklich und zufrieden aus, und da wusste ich, dass sie im Grunde eine dieser kleinkarierten Spießbürgerinnen war. Sie quatschte oft davon, dass wir uns nächstes Jahr eine gemeinsame Wohnung suchen sollten. Dann Studienabschluss, geregelter Job und noch eine Wohnung mit einer Hypothek drauf. Später Verlobung, Heirat und ein Darlehen auf das Haus. Kinder. Arbeit. Kredite. Steuern. Ausgaben. Irgendwann dann das ESKT -Schema: Enttäuschung, Scheidung, Krankheit, Tod. So sehr sie sich auch dagegen wehrte, genau das war sie. Das war es, was sie sich erwartete. Aber ich liebte sie und versuchte deshalb, die gemeinen und hässlichen Seiten zu verstecken, die sie in mir hervorbrachte. Als ich da auf der Straße stand und sie dabei beobachtete, wie sie die Kids geduldig in das Theater führte, wusste ich, dass ich niemals so sein könnte. Ich würde sie niemals haben können. Ich meine, sie niemals richtig haben und mich ihr voll und ganz hingeben können. Vielleicht war ich aber auch einfach nur ein riesengroßer Volltrottel, so zu denken. Ich wusste,

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