Skagboys 01

»The Reflex« von Duran Duran, als Alison ihrer Schwester über den Streit zwischen Vater und Bruder berichtete. Mhairi zeigte jedoch wenig Interesse. Mitten im Gespräch hielt sich ihre Schwester plötzlich erschrocken die Hand vor den Mund. Alison drehte sich um und sah draußen vor dem Küchenfenster, wie Calum am Regenwasserrohr herunterkletterte und sich auf den Rasen hinter dem Haus fallen ließ.
    — Calum!, rief sie und lief zur Hintertür, wo sie aber nur noch sah, wie ihr Bruder zwischen den vollen Wäscheleinen in den Nachbargärten verschwand.
    — Was ist passiert?, rief Derrick, als er im Türrahmen auftauchte.
    — Cal is ausgebüxt, informierte ihn Mhairi mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
    — Was …?! Ich hab’s ihm verdammt noch mal verboten! Derrick rannte zur Tür, hielt dann aber abrupt inne, als er merkte, dass er nur einen Bademantel trug.
    — Schon gut. Ich geh ihn suchen!, sagte Alison mit einem Ton in der Stimme, der sich vorwurfsvoller anhörte, als es ihr lieb war. Sie griff ihre Tasche und stürmte hinaus. Zuerst schaute sie sich in den identisch aussehenden Nachbargärten um, konnte aber außer jeder Menge aufgehängter Wäschestücke nichts entdecken.
    Calum musste also über die Gartenmauer geklettert und auf dem überwucherten Weg geflüchtet sein, der neben den Wohnhäusern verlief. Alison wusste, dass es noch reichlich früh war, um zum Easter Road Stadion zu gehen, und so tippte sie darauf, dass ihr Bruder sich auf dem Walk rumtrieb.
    So war es auch: Sie fand ihn weiter oben auf der geschäftigen Straße, wo er sich mit Lizzie und Tommy Lawrence unterhielt. Er machte keine Anstalten davonzulaufen, als sie näher kam.
    — Hi, Ali, sagte Lizzie, und auch Tommy grüßte sie.
    — Hallo, ihr zwei.
    — Geht ihr nachher zum Spiel?, fragte Calum das Pärchen und ignorierte dabei bewusst seine Schwester. Lizzie schaute erst ihn und dann Alison an. Calums Auftritt kam ihr offensichtlich reichlich absurd vor.
    — Nee. Das wird ziemlich verrückt werden. Zu viele von den Durchgeknallten unterwegs, meinte Tommy. — Halt dich heut besser vom Stadion fern, Kumpel.
    — Das hat ihm unser Dad auch schon gesagt. Alison schaute zu Calum.
    — Ich geh nich zurück, meinte er zu ihr.
    — Mach, was du willst. Ich bin keine Gefängnisaufseherin oder so was, erwiderte Ali und hoffte, ihren Bruder mit diesem Manöver zur Vernunft zu bringen. Sie schaute Tommy und Lizzie an und nickte in Richtung des Cafés auf der anderen Straßenseite. — Lust aufn Kaffee?
    — Klar doch, sagte Tommy. Alison war sich nicht sicher, ob Calum mitkommen würde, doch er folgte dem Trio. Es herrschte viel Betrieb im Up The Junction Café, aber sie fanden noch einen freien Tisch und setzten sich.
    Alison fragte Lizzie zur Kunsthochschule aus, und Lizzie löcherte Ali mit Fragen zu ihrer Arbeit. Gleichzeitig versuchte Alison, das Gespräch zwischen Tommy und Calum zu verfolgen, um herauszufinden, wie die Pläne ihres Bruders aussahen. War er wirklich mit diesem Hooligan-Mob unterwegs?
    — Aberdeen sind ne ganz schöne Macht, sagte Tommy. Leighton, McKimmie, Miller, McLeish, Simpson, Cooper, Strachan, Archibald, McGhee, Weir … schon beeindruckend, was sie unter Alex Ferguson erreicht haben.
    — Aye, stimmte Calum zu. Als er danach Lizzie mit einem belämmerten Blick ansah, dämmerte Alison, dass ihr Bruder in Tommys Freundin verknallt war. — Is aber Quatsch, dass die so viel besser sind als die Hibs.
    — Trotzdem kann man die nich so hassen, wie man die Rangers oder Celtic hasst, erklärte Tommy. — Die haben sich nämlich fair und sauber nach oben gearbeitet und sich nicht nem Haufen von Schwachköpfen mit all diesem sektiererischen Scheiß an den Hals geworfen.
    — Stimmt, meinte Calum, wobei seine Stimme einen peinlichen Moment lang einen Piepston annahm, bevor er den Frosch im Hals mit einem heftigen Räuspern hinausbefördern konnte. — Die haben Old Firm nach Hause geschickt und Europa erobert, während Hibs und Hearts nur zwischen den Ligen hin und her pendeln.
    — Fußball. Is das eigentlich alles, worüber ihr euch unterhalten könnt? Alison schaute zu Lizzie und schüttelte den Kopf.
    — Es gibt auch andere Gründe, um zum Spiel zu gehen, nicht nur der Fußball, erklärte Calum.
    Alison wollte darauf etwas sagen, verkniff es sich aber.
    — Wenigstens kommen jetzt die Fans in den Kurven wieder in die Gänge, sagte er grinsend und schien wieder der junge, freche Lausebengel zu sein.
    Tommy nickte.