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Skagboys 01

Skagboys 01

Titel: Skagboys 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Villa, die dann abgerissen wurde, um Platz für diesen hässlichen Zweckbau zu schaffen.
    Ich habe mich noch nie in meinem Leben so fokussiert und lebendig gefühlt wie jetzt, da ich diesen Stift in der Hand halte und auf die leeren Seiten eines Notizbuchs starre. Als ich in der Uni Essays verfasste, war ich nahe dran, aber das hier ist anders. Anstatt Fakten anzuhäufen, um eine Hypothese zu entwickeln, zu hinterfragen und schlussendlich zu belegen, schreibe ich jetzt frei von der Leber weg über subjektive Eindrücke – und genau dadurch nähere ich mich einer Art Wahrhaftigkeit. Indem man subjektiv schreibt, kann man die eigenen Erfahrungen verarbeiten, sich aber gleichzeitig von ihnen abkoppeln. Dabei begreift man Dinge und erkennt bestimmte Wahrheiten. Andere denkt man sich aus. Die ausgedachten Begebenheiten allerdings erklären mindestens genauso viel und manchmal sogar noch mehr als diejenigen, die tatsächlich passiert sind.
    Danach wieder Ulysses . Wenn ich diese Reha-Kacke durchstehe, dann habe ich es einzig und allein Jimmy J. zu verdanken. Es ist einfach großartig, in seinem Dublin umherzustreifen. Eines Tages werde ich mal hinfahren und es mir ansehen.
    Irgendwann schlief ich ein, nur um einige Zeit später von Sick Boy geweckt zu werden. Der Arsch scheint echt niemals zu pennen. Er erzählte mir, dass Schwester Vierauge die Einzelgesprächssitzungen mit ihm gecancelt und ihn zurück zu Tom überwiesen hatte. Dass er nicht sonderlich erfreut über diese Entwicklung war, wäre eine Untertreibung. »Sie meinte, ich hätte mich unangebracht verhalten. Dabei hat sie in Wirklichkeit nur Schiss, dass ihre Schneekönigin-Fassade bröckelt. Das Theater fing an, als ich ihr mein Herz ausgeschüttet hab: ›Ich muss ehrlich mit Ihnen sein, Amelia. Wir haben ein Problem. Ich habe starke Gefühle für Sie entwickelt.‹ Natürlich meinte sie daraufhin sofort: ›Das ist unangebracht, Simon.‹ Verfickte Scheiße, man hätte denken können, sie wäre ein verkackter Roboter. Die ganze Zeit hat sie wie einer dieser Daleks gestammelt: ›UN-AN-GE-BRACHT … UN-AN-GE-BRACHT …‹«
    »Verflucht, Williamson, ich hab schon gepennt, du Armleuchter. Gerade bin ich ins Traumland abgetaucht, und da kommst du mit diesem Mist. Hat das nicht bis morgen Zeit?«
    Die Frage war zwecklos. Genauso gut hätte ich sie mir selbst stellen können.
    »Also sage ich zu ihr: ›Sie können mich nicht in den Sitzungen dazu auffordern, meine Gefühle auszudrücken, und sich im nächsten Moment hinter irgendwelchen Rollen verstecken. Wenn ich Mauern einreißen soll, nur damit Sie sie nach Lust und Laune wieder aufbauen, riecht das für mich verdammt noch mal nach Verlogenheit. Das ist einfach nicht ehrlich und auch nicht sonderlich fair.‹ Das hat sie echt fuchsig gemacht.«
    Trotz meiner Erschöpfung begann mich die Sache zu interessieren. »Was hat sie darauf gesagt?«
    »Ach, nur den üblichen Scheiß: Sie wäre hier, um mir bei der Rehabilitation zu helfen, und ich wäre derjenige, der unehrlich und manipulativ handelt. Weißt ja, wie diese Leute versuchen, die Tatsachen zu verdrehen. Sie meinte, ich sollte mal überlegen, warum ich zu Frauen nur Beziehungen sexueller Art aufbauen kann.«
    Ich versuchte, keine Miene bei seinem letzten Kommentar zu verziehen. »Und, was hast du gesagt?«
    »Ich meinte nur: ›Wer hat denn von Sex gesprochen?!‹ Dann hab ich ihr erklärt, dass ich keineswegs versuchen würde, sie zu verführen, und ziemlich beleidigt wegen dieser Unterstellung wäre. Ich hab ihr beigepflichtet, dass es absolut unangebracht ist, innerhalb der Reha die Grenzen unserer Therapeut-Patient-Beziehung zu überschreiten. Das würde nicht nur meine Genesung behindern, sondern auch ihre Position in St. Monans untergraben. ›Ich respektiere Sie viel zu sehr, um das zu riskieren. Meine Gefühle für Sie habe ich nur zur Sprache gebracht, um für mehr Transparenz in dieser Situation zu sorgen. Täte ich das nicht, könnten sich die Dinge sehr schnell verkomplizieren.‹ Daraufhin ist sie in die Defensive gegangen.«
    »Brillant, Alter. Du bist echt ein ziemlich kranker Wichser, aber auch ein verdammtes Genie. Wie hat sie darauf reagiert?«
    Ich konnte sehen, wie Sick Boy die Empörung über den »kranken Wichser« herunterschluckte und sich in der Lobpreisung aalte. »Sie schien nervös und unsicher, also hab ich Vollgas gegeben: ›Ich würde Sie wirklich gern draußen wiedersehen. Ich meine, wenn das alles hier vorüber ist‹,

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