Skagboys 01
für mich reserviert, nich wahr, Lesley?
— Davon träumst du vielleicht, erwidert Lesley, die nun zu ihrer selbstbewussten Schlagfertigkeit zurückfindet, nachdem Keezbo sie kurzzeitig aus der Balance gebracht hat.
— Und ob! Verdammt feuchte Träume sind das, das kann ich dir sagen, gibt Begbie lachend zurück. Sein kurz geschorener Schädel sieht dabei so hart aus wie eine Abrissbirne.
Keezbo bestellt eine Runde Lager. Um eine bessere Sicht auf den Fernseher zu haben, zieht die Gruppe zu einem resopalbeschichteten Tisch an einer halbmondförmigen Sitzecke um, aus deren aufgeschlitzten Lederbezügen bereits die Schaumstoffinnereien herausquellen. Renton reicht ein Tütchen Speed herum, das er zu seiner eigenen Überraschung soeben in der Tasche seiner Jeans gefunden hat. Außer Begbie, der noch immer zu Lesley rüberstarrt, nehmen alle eine Prise. — Ganz und gar nich schüchtern, die Kleine, erklärt er im Namen der Runde.
Keezbo kommt mit einem Tablett voller Pints zum Tisch rüber und grinst über beide Backen. Er trägt den strahlenden Gesichtsausdruck eines Mannes zur Schau, der eine fixe Idee mit seinen Kollegen teilen will. Er setzt das Tablett auf dem Tisch ab und gönnt sich etwas von dem Amphetaminpulver, das bereits ziemlich feucht von der Spucke seiner Kollegen ist. Der salzige Geschmack lässt ihn zusammenfahren, sodass er es schnell mit einem Schluck Bier hinunterspült. — Mr. Mark, Mr. Frank, Mr. Tommy, Mr. Danny, was haltet ihr davon: Leo Sayer versus Gilbert O’Sullivan.
Begbie schaut erwartungsvoll zu Renton. Durch den Umzug an einen anderen Tisch sitzen die beiden nun nebeneinander. Renton will etwas sagen, überlegt es sich dann aber anders. Abwartend schaut er zu Tommy rüber und nimmt einen Schluck vom Lager, das, in Kombination mit den Resten des Amphetaminsulfats an seinem Gaumen, ziemlich widerlich schmeckt.
— Das is ne gute Paarung, räumt Tommy ein. Keezbo denkt sich regelmäßig Fantasie-Boxkämpfe mit sehr unwahrscheinlichen Teilnehmern aus. Dieses Mal scheinen die Kontrahenten einander ebenbürtig.
— Gilbert O’Sullivan? Der hat doch diesen beschissenen Kin derficker-Song geschrieben!, mault Begbie auf einmal los. — Um bringen sollte man diesen Wichser. Erinnert ihr euch nich dran? An dieses bescheuerte Video?
— Ja, »Claire« hieß das Stück, antwortet Spud. — Ich seh das aber ein bisschen anders, Franco. In dem Lied hat er doch bloß drüber gesungen, wie er den Babysitter bei einem Kind spielt, das er kennt, verstehste? Begbie wirft Spud einen seiner vernichtenden Laserblicke zu, bei dem Spud sofort zusammenzuckt. — Bist jetzt hier der große Musikkritiker, oder was? Is das vielleicht normal für einen Erwachsenen? Dass er über ein Kind singt, das nich ma seins is? Häh?! Sag schon, is das für dich vielleicht normal?
Wenn Renton über die Jahre eins gelernt hat, dann dies: Man sollte auf keinen Fall zulassen, dass sich Frank Begbie isoliert fühlt. Daher geht er diplomatisch vor und schlägt sich auf dessen Seite. — Du musst doch aber zugeben, Spud, dass das schon ein bisschen verdächtig wirkt.
Spud wirkt geknickt, aber Renton kann in seinen Augen einen Hauch von Dankbarkeit für den angebotenen Ausweg erkennen. — Jetzt, wo du es sagst, Rents, glaub ich’s auch fast …
— Sag ich doch!, grölt Begbie. — Hör besser auf diesen rothaarigen Wichser hier. Er zeigt auf Renton. — Der Typ versteht mehr von Musik als wir alle an diesem Tisch zusammen. — Er, und Keezbo auch. Die beiden warn ma inna Band mit Stevie Hutchison, fügt er triumphierend hinzu und schaut dann in die Runde, ob irgendjemand zu widersprechen wagt. Alle ducken sich weg.
— Also, was sagt ihr, Jungs?, fragt Keezbo noch einmal in die Runde. — Leo Sayer oder Gilbert O’Sullivan?
— Wenn du mich so fragst, würd ich Sayer sagen, erklärt Renton. — Sind beide ziemlich leicht, aber Sayer is ein Tänzer. Flink auf den Füßen und so. O’Sullivan hingegen sitzt immer nur hinter seinem Piano.
Die Runde lässt sich Rentons Argumentation ein paar Sekunden lang durch den Kopf gehen. Tommy denkt derweil an die Zeit im Leith Victoria Boxing Club mit Begbie und Renton zurück, wie es nicht genug für den einen, zu viel für den anderen und gerade richtig für ihn selbst war. Er erinnert sich daran, wie er den fünfzehnjährigen Begbie im Ring auf die Bretter geschickt hat: Einer Meerjungfrau gleich lockte er ihn ins tiefe Wasser, ließ ihn vergebens nach seinem Opfer suchen,
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