Skagboys 01
vielleicht Bock aufn Bier, oder wir könnten noch mal zum Hoochie hoch und ne Runde tanzen, verstehste?
Ich gesteh es mir nur ungern ein, aber irgendwie langweilt mich der Hoochie Coochie Club in letzter Zeit. Schlechtes Zeichen, wenn man mal ehrlich ist, denn das Hooch und das Easter Road Stadium sind die letzten beiden Zufluchtsorte in dieser trostlosen Stadt für mich. Ich stecke Spud, dass ich noch auf Skag bin und im Hoochie eh nichts mehr los sein wird, wenn wir da ankommen.
Er folgt meinem Blick und sieht das Spritzbesteck auf dem Tisch. Mit einem energischen Kopfschütteln atmet er einmal heftig durch gespitzte Lippen aus.
— Ich hab echt schon eine Menge genommen, Mann, aber H is irgendwie ne Grenze für mich, verstehste?
— Ich rauch das Zeug auch nur, erkläre ich ihm. — So wird man nich abhängig. Is echt ne geile Sache, Spud, das Gefühl ist unvergleichlich. Dir is alles scheißegal, und die Welt fühlt sich so verdammt richtig an.
— Eigentlich will ich’s auch ma probieren.
Nich gerade große Überzeugungsarbeit, die ich da leisten muss. Ich hol also den Stoff raus, bastele ne Folienpfeife (das hab ich mittlerweile tausendmal geübt), und wir ziehen uns das Zeug rein. Ich spüre, wie sich die Aluminiumpartikel und der dreckige Qualm in meinen Lungen absetzen. Mein Kopf wird schwer, und ein Gefühl überwältigender Euphorie kriecht in meine Seele und breitet sich von dort durch meinen gesamten Körper aus wie wärmendes Sonnenlicht. Spud sieht mit seinem schiefen Lächeln und den schweren Augen wie ein Spiegelbild von mir aus. Ein gemeinsamer Gedanke macht sich in unseren Köpfen breit: Alles und jeder kann uns jetzt gestohlen bleiben. Wir lehnen uns zurück in die Kissen.
— Siehst du, Spud, das is alles nur ein letztes großes Abenteuer für mich, bevor ich den Europa-Trip mache und wieder zurück zur Uni gehe.
— Ein Abenteuer, krächzt er und versucht, den Brechreiz zu unterdrücken. Dann knickt er aber ein, und dicke gelbe Brocken platschen vor ihm auf den Fußboden, wo noch der mitgebrachte Alk steht.
Ulmensterben
S ie war spät dran und wusste natürlich, dass sie auf diese Weise nicht den gewünschten Eindruck an ihrem ersten Arbeitstag machen würde. Gestern auszugehen, war eine schlechte Idee gewesen, aber Alison hatte irgendetwas unternehmen müssen, um den Besuch bei ihren Eltern aus dem Kopf zu bekommen. Diesen schrecklichen Moment, in dem ihre Mutter gehustet und dann zähflüssiges Blut in ihr Taschentuch gespuckt hatte. Stillschweigend hatten sie auf den roten Fleck in ihrer Hand gestarrt, wissend, was er bedeutete. Am Ende war es aber diese Maske der Schuld auf dem Gesicht von Susan Lozinska gewesen, mit der das wirkliche Grauen für Alison begonnen hatte. Sie hatte sich entschuldigt , mit besorgter Stimme zu ihrer ältesten Tochter und ihrem Ehemann Derrick gesagt: — Ich glaube, es fängt wieder an.
Es war ihr freier Nachmittag gewesen, eine willkommene Pause von den letzten Arbeiten in der Schwimmhalle, bevor sie ihren neuen Job antrat. Um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, hatte sie bei den Eltern vorbeischauen wollen. Seit ihrem Auszug vor ein paar Jahren war sie nicht so oft zu Besuch bei ihrer Familie gewesen, wie sie es vielleicht hätte tun sollen. Ihre jüngeren Geschwister Mhairi und Calum waren nicht daheim gewesen, was Alison ganz gelegen kam. Das angespannte, kreidebleiche Gesicht des Vaters, als er versuchte, etwas trotzige Zuversicht in seine Stimme zu legen: — Erst mal lassen wir die Tests machen, und wenn es dann tatsächlich so ist, und ich betone, wenn es so ist, werden wir das zusammen durchstehen, Susan. Wir werden das zusammen durchstehen!
Alison hatte das Gefühl gehabt, dass sich der Raum drehen und die ganze Welt über ihr zusammenbrechen würde. Sie war noch eine Weile geblieben, hatte mit ebenso dünner Stimme gesprochen wie ihre Eltern. Ihr Gespräch hatte sich gedämpft angehört, so als käme es aus dem Nebenzimmer. Ihre Mutter sah mit einem Mal verbraucht und krank aus. Ihr Vater – ein dünner Mann mit Schnauzbart, der sich trotz seines fortgeschrittenen Alters noch das gepflegte Äußere und den adretten Look früherer Jahre bewahrt hatte – war bei Verlautbarung der schreckli chen Nachrichten aus Solidarität mit seiner Frau zu einem Schat ten seiner selbst zusammengeschrumpft. Es fängt wieder an.
Irgendwann war Alison gegangen, zurück zu ihrer Wohnung in Pilrig. Sie hatte aber keine Ruhe finden können und war deshalb
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