Skagboys 01
in den frühen Abend hinausgeflüchtet. Mit Lesley und Sylvia hatte sie zwei Mädchen getroffen, die sie nicht sonderlich gut kannte. Zusammen waren sie auf eine Drogenparty in Muirhoose gegangen, die für Alison auf der Couch von Johnny Swan in dessen Wohnung am Tollcross geendet hatte.
In der Nacht hatte Johnny versucht, sich an sie ranzumachen. Seine Annäherungsversuche hatten sie aus dem einlullenden Nebel der betäubenden Drogen und der emotionalen Verwirrung gerissen, und sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich gefälligst verpissen solle, so breit sei sie nun auch wieder nicht. Dann hatte er angefangen, sie förmlich um Sex anzubetteln. Nach einer Weile war sich Alison schäbig vorgekommen, als würde sie selbst den Missbrauch verüben, weil sie sich weigerte, mit ihm zu ficken. Einen Moment lang war sie versucht gewesen, einfach nachzugeben, damit Johnny sie endlich in Ruhe lassen würde. Dann war ihr aber klar geworden, was für ein schrecklicher Fehler das gewesen wäre. Irgendwann hatte Johnny aufgegeben und sich nörgelnd in sein Schlafzimmer zurückgezogen.
Mit den ersten Sonnenstrahlen war sie gegangen, zurück in ihre Wohnung in Pilrig, hatte geduscht und sich wankenden Schrittes auf den Weg zu ihrem neuen Job gemacht, zu einer Veranstaltung im Sitzungssaal des Stadtrats.
Während der langwierigen Krankheit ihrer Mutter hatte sich Alison angewöhnt, ihr Leben mit allerlei Ablenkungen und Zer streuungen zu füllen. Die Autorinnengruppe Edinburgh Women’s Poetry Group war so eine Zerstreuung, die zudem die Vorteile einer männerfreien Zone bot. Zu den EWPG -Treffen war Alison stets zusammen mit ihrer Freundin Kelly gegangen. Irgendwann hatte sich deren Freund Des allerdings bedroht oder vernachlässigt gefühlt und Kelly mit seinem ätzenden Spott aus der Gruppe gerissen. Es hatte Alison krank gemacht, mit anzusehen, wie ein lebensfrohes und kontaktfreudiges Wesen wie Kelly sich durch die Beziehung mit Des derart veränderte und sich mit der Zeit diesen spröden Schutzpanzer zulegte, der mehr und mehr zu einem Zufluchtsort für sie wurde. Immer öfter zog sich Kelly in diesen Panzer zurück – voll und ganz auf die unsinnigen Äußerungen ihres Freundes fixiert. Unterm Strich war es aber Kelly selbst gewesen, die sich für diesen Weg entschieden hatte. Alison war weiterhin zu den EWPG -Treffen gegangen.
Natürlich war sie nicht von allen Frauen in der Gruppe gleichermaßen angetan gewesen. Viele von ihnen hatten eine offensichtlich sexuelle Agenda, andere hegten einen regelrechten Hass auf Männer, der häufig genug auf einer Verallgemeinerung schlechter Erfahrungen beruhte. Alison merkte, dass einige Frauen aus dieser Untergruppe ihre Lektion noch nicht gelernt hatten und auf dem besten Weg waren, ihre nächste bessere Hälfte zu finden: einen weiteren dieser frauenhassenden Semi-Alkoholiker, die verbittert am Tresen hocken und über die miesen Schlampen herziehen, die sie bis aufs letzte Hemd ausgenommen haben. Für diese Frauen gab es irgendwo ganz sicher noch einen Des zu erobern. Zu schade nur, dass das Original schon an Kelly vergeben war.
Dann waren da noch die, die für Alison die schlimmsten Mitglieder des Clubs darstellten: Frauen, die sich tatsächlich für gute Dichterinnen hielten.
Trotzdem mochte Alison die meisten der Frauen im Club. Es war eine experimentelle Phase in ihrem Leben gewesen. Sie hatte ein wenig über Reimschemata und Haikus gelernt und außerdem – nach einer kurzen Bettgeschichte mit einer Frau namens Nora – herausgefunden, dass sie niemals eine Lesbe sein könnte. Nora hatte sie oral verwöhnt, was ohne Frage ganz angenehm gewesen war. Okay, so weit, so gut, aber wann kommt der verdammte Schwanz?, hatte sich Alison nach einer Weile gefragt. Der kam aber nie, und so war sie irgendwann irritiert, verkrampfte sich und hatte das Gefühl, ihre Zeit zu vergeuden. Glücklicherweise erkannte Nora ziemlich schnell, was los war, zog ihren Kopf zwischen den Schenkeln ihrer Freundin hervor und fragte: »Das ist nicht so richtig dein Ding, oder?« Alison konnte nicht anders, als diese Vermutung zu bestätigen, und fühlte sich schlecht, weil ihr nicht danach war, sich für Noras Zärtlichkeiten zu revanchieren. Irgendwie erinnerte Noras strenger moschusartiger Geruch sie an ihre eigene Menstruation.
Nora war allerdings hartnäckig und meinte in der darauffolgenden Woche freudig zu Alison, dass sie »eine Lösung für unser Problemchen« gefunden hätte.
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